Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
Knien drang er auf das Privatgelände der Rockerbande vor und befand sich damit außerhalb der Legalität. Falls alles schief ging, konnte das fatale Konsequenzen haben.
Trotzdem folgte Hill seinem Beispiel. Jetzt wusste er zumindest, was mit »Kücheneingang« gemeint war. Die Frage war nur, wie Gårdeman von diesem erfahren hatte. Aber dieser Mann verfügte über so manche Information außer der Reihe.
Irgendwie schien es auf dem Hofplatz trockener zu sein. Der Kies sog den Regen, der den Waldboden in Morast verwandelt hatte, auf. Hingegen machte er einen wahnsinnigen Lärm.
Sie waren gezwungen, sich vorsichtig zu bewegen. Das Beste war, nur auf das wuchernde Unkraut zu treten, um das Geräusch der Schritte zu dämpfen. Hill musste zugeben, dass Löwenzahn auch seine guten Seiten hatte.
Der bleiche Schein der uralten Außenbeleuchtung reichte gerade aus, um sich zu orientieren, Gårdeman interessierte sich offensichtlich nicht für den Haupteingang. Lautlos schlich er auf eines der Nebengebäude zu und dort im Schutz des Flieders weiter. Hill blieb ihm wie ein Schatten auf den Fersen.
Sie kauerten unter dem frischen Grün der Bäume, und Gårdeman flüsterte kaum hörbar.
»Da drüben ist die Werkstatt.« Er deutete auf ein dunkles Gebäude mit eternitverkleideten Wänden und einem Dach aus Wellblech.
Hill nickte.
»Dort steht immer jemand vor der Tür Wache, wenn dort gearbeitet wird«, fuhr Gårdeman fort, der sich wirklich auszukennen schien.
Hill seufzte. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr.
Gårdeman tastete nach seiner Brusttasche. Dann steckte er sich eine durchweichte Zigarette zwischen die Lippen. Er richtete sich auf, und Hill suchte in seiner Jacke nach dem Halfter. Wenig später lag seine Dienstwaffe schwer und beruhigend in seiner Hand.
Hill hatte keinen Sinn für Schusswaffen, aber die Zeiten hatten sich geändert. Jetzt waren sie nötig. Einerseits waren sie eine Lebensversicherung, andererseits aber auch eine Gefährdung.
Sie hätte ihm jedoch am Vorabend kaum geholfen, auch wenn er sie dabeigehabt hätte.
Darüber hatte er sehr viel nachgedacht. Vielleicht hatte er heute nur ein paar blaue Flecken und Prellungen, weil er unbewaffnet gewesen war? Vielleicht hätte er jetzt eine Kugel im Schädel gehabt und hätte gar nicht ziehen können? Diese Frage würde er wohl nie beantworten.
Wie auch immer kam ihm seine Pistole jetzt sehr gelegen.
Raymond Sjunnesson stand gelangweilt unter dem Vordach der Werkstatt. Hier war er zumindest vor dem ekelhaften Regen geschützt!
Wache stehen war wirklich verdammt langweilig! Er wünschte sich, der Terminator würde sich beeilen oder dass bald jemand kommen würde, um ihn abzulösen.
Als unerwartet der Kies knirschte, stand Raymond da und schlief halb. Gårdeman kam mit langen, energischen Schritten um die südliche Hausecke. Seine laute Stimme überraschte Raymond total.
»Hast du mal Feuer?«
»Was? Na klar doch«, erwiderte Raymond instinktiv diensteifrig, gleichzeitig musste er jedoch einsehen, was für einen Fehler er gemacht hatte. »Verdammt!«
Seine besondere Lebenserfahrung, wenn man das einmal so nennen wollte, sagte ihm, dass das, was er da im Nacken spürte, der kalte Lauf einer Pistole war.
Hill war genau im richtigen Augenblick um die nördliche Ecke der Werkstatt gekommen.
Raymond verstummte sofort und stand vollkommen reglos. Was für ihn selbst am besten war, begriff er immer. Selbst aufhören zu blinzeln würde er, falls diese Burschen das wünschten.
Hill und Gårdeman hatten die Grenze bereits überschritten, sie hatten also nicht mehr viel zu verlieren. Genauso gut konnten sie sich jetzt Klarheit darüber verschaffen, was in der Werkstatt eigentlich los war, da das Vorhängeschloss schon einmal offen hing. Das kam einer Einladung gleich.
Der Terminator hörte, dass die Scharniere der Tür kreischten, aber kümmerte sich nicht weiter darum. Es bestand keine Gefahr, schließlich stand Raymond Wache.
Stattdessen hielt er die Augen auf seine Hände gerichtet. Eine rostige Arbeitslampe stand weit nach vorne geschoben auf der Werkbank, damit er genügend Licht hatte. Die Glühbirne war für die Fassung eigentlich zu groß und tat ihr Bestes, sämtliche Watt auf die Arbeit des Terminators zu werfen.
Zwei Lötstellen waren nicht ganz zufrieden stellend, und jetzt, da er noch mal von vorne beginnen wollte, war es wichtig, dass alles andere ebenfalls an der richtigen Stelle war …
Der Terminator hielt den Blick starr auf
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