Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
geschicktere Ausrichtung der Fahndungsarbeit geliefert. Deswegen spitzte Hill die Ohren wie ein eifriger Hund. Einer, der einen wichtigen Ruf hört – von weit, weit her.
»Ja, nimm die Dame hier zum Beispiel«, setzte Anderberg höflich hinzu, als ob sie seine Worte und sein Urteil hören konnte. »Superschickes Auto. Gewaschen, gewachst, einfach tipptopp.«
Anderberg schaute schräg zu ihr hinauf. Der Arzt hatte vermutlich Recht. Der Mandelduft sprach seine eigene Sprache. Seiner Ansicht nach war sie genau hier gestorben und nicht erst später hergebracht worden. Genaueres würde die Hypostaseanalyse zeigen, wenn die Gerichtsmediziner ihre Untersuchung abgeschlossen hatten.
Und dann sah er die Tote fast entschuldigend an, als schämte er sich der Charakterisierung, die er ausführen wollte.
»Sie war selbstverständlich äußerst adrett, gepflegt und ohne Zweifel wohlhabend.«
Hill hörte weiterhin zu.
»Aber Bonbonpapier im Auto auf den Boden werfen, das tat sie wie jede andere nachlässige Schlampe«, schloss Anderberg ein wenig puritanisch.
Hill kümmerte sich nicht um die abschließende Wertung, sondern hielt sich entschlossen an die Fakten. »Du hast also Bonbonpapier auf dem Boden gefunden?«, fragte er.
»So ist es. Ein paar sind offensichtlich alt, wurden festgetreten und in die Gummimatte gedrückt. Aber es sind auch ganz neue dabei. Welche, die gerade erst ausgewickelt und nicht zertreten aussehen.«
Hills Augen leuchteten mit einem Mal neugierig, obgleich sich seine Zehen zu diesem Zeitpunkt bereits schmerzhaft erfroren anfühlten. Genau in dem Moment knirschte es auf dem frostüberzogenen Bürgersteig hinter ihnen, und Ulf Gårdeman kam mit neuen Zeugenaussagen über die Tote zurück.
Erst hatte natürlich der Mann, der sie gefunden hatte, seine Geschichte noch einmal erzählt. Aber dann wurden es immer mehr Menschen, die glaubten, etwas berichten zu können. Wie abgeschirmt und zurückgezogen die Leute auch zu leben versuchten – es fand sich doch immer jemand in der Umgebung, der mehr über sie wusste, als sie selbst ahnten.
Für die Fahnder kam es nur darauf an, sie ausfindig zu machen.
Und sie zum Reden zu bringen.
Ein Fall für Gårdeman, der so etwas wie ein sprachliches Chamäleon war. Er liebte es, sich mit den Leuten zu unterhalten, und hatte vertrauliche Gespräche schon fast zu einer der schönen Künste erhoben. Konnte sich innerhalb von Sekunden in die jeweils vorherrschende Stimmung versetzen, Dialekt und Jargon anpassen, um unmittelbar Vertrauen zu gewinnen. Auf diese Weise öffnete er Türen, die andere mit Dynamit hätten sprengen müssen.
Nur dieses Mal hatte es leider keine erhellenden Hinweise gegeben. Gårdeman klappte den Notizblock zu, stopfte ihn zusammen mit dem Stift in die Innentasche und blies den warmen Atem auf seine vom Schreiben erstarrten Fingerspitzen.
»Sie war Single«, teilte er kurz mit.
»Single?«
»Ja. Single in der Stadt.«
»Aber einen Typen muss sie doch wohl gehabt haben?«, insistierte Hill. »Ich meine …«
Für ihn ging die Gleichung nicht ganz auf.
Eine attraktive, schwangere Frau …
»Ich verstehe, was du meinst«, versicherte Gårdeman. »Ich dachte dasselbe. Aber die Zeugen, mit denen ich gesprochen habe, stimmen überein. Sie wohnte da hinten, und sie wohnte allein.«
Er zeigte die idyllische kleine Vorortsstraße hinauf, die sich weiter durch den Ort bis hin zum Strandstreifen am Sund schlängelte.
»Hatte ein kleines Reihenhaus ganz für sich allein«, setzte er hinzu. »Keine Kinder außer dem, das sie erwartete.«
»Hmm«, schnaubte Hill verlegen, »aber einer muss doch in jedem Fall der Vater … dieses Kindes sein!«
»Wer weiß«, seufzte Gårdeman, »vielleicht John Blund, vielleicht ein nächtlicher Schatten …?«
Er schaute sie an, wie sie so vollkommen unberührt blieb von den Mutmaßungen über ihr Liebesleben. Sie starrte nur weiterhin in den unendlichen blauschwarzen Kosmos, als wäre sie ein ätherischer Teil von ihm.
Aber nicht einmal ihre vornehme Schönheit konnte ihn an eine Jungfrauenempfängnis glauben lassen. Hill hatte natürlich Recht, vollkommen Recht – der Schatten war ohne Zweifel aus Fleisch und Blut, und es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis sie ihn fänden.
»Wie heißt sie eigentlich?«, wechselte Hill das Thema.
»Das wussten sie nicht.«
»Und was arbeitete sie? Hast du das herausbekommen?«
Als er die Frage stellte, fiel ihm ein, dass sie vielleicht überhaupt keinen Beruf
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