Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
zentral gelegenen, kleineren Wohnung, die er persönlich recht ansprechend fand. Er besaß einen hochwertigen Fernseher mit 84-Zentimeter-Bildschirm sowie ein Videogerät, schaffte es aber nur selten, tatsächlich mal etwas anzugucken. Seine Videosammlung umfasste unter anderem Dirty Harry und eine Anzahl weiterer Clint-Eastwood-Klassiker aus den Siebzigern. Doch wenn er erst einmal in sein Fernsehsofa sank, ging ihm entweder irgendein Fall im Kopf herum, oder er schlummerte selig ein und wachte nicht auf, bevor der Bildschirm nur noch flimmerte und er einsehen musste, dass es endgültig Zeit wurde, in die Falle zu kriechen. In der Speisekammer stand meistens eine Flasche Single-Malt-Whisky – für die Freitagabende, an denen die Arbeit einfach nicht aufhörte, in seinem Kopf herumzuspuken.
Und dann hatte er natürlich seine alte LP-Sammlung mit Buddy Rich, Bud Powell und selbstverständlich Charlie Parker. Aber er spielte sie nicht mehr so oft, zum einen, weil der Plattenspieler, den er zusammen mit einem Teil der Jazzsammlung von seinem exzentrischen Onkel Akke geerbt hatte, noch mit einem verschlissenen Shure -Tonabnehmer aus den frühen Siebzigern versehen war. Zum anderen aber, weil er sich stattdessen eine handlichere Sammlung der Ausgaben auf CD angeschafft hatte. Wenn er heutzutage in Helsingborg in den Jazzclub ging, dann meist aus fahndungstechnischen Gründen.
Seine Beförderung auf den jetzigen Posten war zwar erst etwas mehr als zwei Jahre her, doch er hatte in dieser Zeit schon verdienstvolle Polizeiarbeit geleistet. Hin und wieder musste er sich eingestehen, dass der Job auf eine gefährlich schleichende Art und Weise sogar zu seiner wichtigsten Freizeitbeschäftigung zu werden drohte.
Das Mysterium der Rubbellosmorde hatte er noch im Frühjahr gelöst und sich den Sommer über intensiv und letztlich erfolgreich einem Fahndungsauftrag in Zusammenarbeit mit dem Zoll gewidmet. Es war ihnen gelungen, einen Drogenring, der den Grenzschutz eine Zeit lang an der Nase herumgeführt hatte, einzukreisen. Eine Gang hatte nichts ahnende Rentner dafür gewonnen, in ihren kleinen, harmlosen Einkaufstüten Drogen durch den Zoll zu schleusen. Als die Alten unbeschadet die Abfertigung passiert hatten und hinein in das turbulente Hauptgebäude von Knutpunkten gelangt waren, diesem designtechnisch überdimensionierten Shoppingcenter und Verkehrsknotenpunkt der Stadt, war es ein Leichtes gewesen, einen kleinen Tumult zu arrangieren und die arglosen Kuriere mit einem unauffälligen Handgriff ihres überzähligen Einfuhrgutes zu entledigen.
Heute war im Polizeidistrikt von Helsingborg bis auf den üblichen Kleinkram – Diebstahl, Hausfriedensbruch und natürlich Sachbeschädigung – nicht besonders viel los gewesen.
Einige Ladendiebe hatten ihre Fähigkeiten überschätzt und wurden von den Warenhausdetektiven auf frischer Tat ertappt.
Ein Betrunkener hatte erstmalig seine Frau geschlagen und erleben müssen, dass sie sich zur Wehr setzte. Zur selben Zeit hatte ein anderer alkoholisierter Mann zum mindestens zwanzigsten Mal seine eingeschüchterte Lebensgefährtin erbarmungslos misshandelt – diesmal mit tödlichem Ausgang.
Und wie gewöhnlich waren einige Jugendliche mit Graffitispray durch die Stadt gezogen.
Insgesamt also die üblichen Alltagstragödien, die von den Streifenpolizisten routinemäßig abgehandelt wurden. Da aber Personalmangel herrschte, nicht so sehr aufgrund von Einsparungen, sondern eher wegen der ersten Grippewelle des Winters, hatte Hill hauptsächlich Einsätze koordiniert und die zur Verfügung stehende Mannschaft eingeteilt, um die notwendigen Zeugenaussagen entgegenzunehmen.
Den Leuten in der Bürokratie weitergeholfen.
Die Staatsanwaltschaft informiert.
Telefongespräche geführt.
Berichte verfasst.
Er hatte, kurz gesagt, einen richtigen Herumsitztag hinter sich.
Eigentlich sollte ich nach Hause joggen, dachte er und nickte einem Bekannten zu, der sich genau wie er in einem tapferen Versuch, ins Zentrum zu gelangen, aus dem Schutz der Eingangstür gegen den Wind stemmte.
Dennoch dachte er kurz darüber nach, ausnahmsweise das Auto zu benutzen. Für gewöhnlich zog er es vor, das kurze Stück den Bergaliden hoch in Richtung seiner Wohnung in der Rektorsgatan zu gehen und den Wagen auf dem Parkplatz hinter dem Polizeipräsidium abzustellen, wo er relativ sicher stand. Auf diese Weise vermied er es auch, sich am Gerangel um die wenigen Parklücken, die den Anwohnern in seiner
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