Kommissar Katzorke: Süße Schrippen (German Edition)
Tönen, die er hörte. Dann hatte er das Empfinden, im Straßenlärm auch die Gerüche der Straße wahrzunehmen. Was ja nur eine Illusion sein konnte, eine Fata Morgana, die ihn ärgerte. So sehr sehnte er sich nach dem Leben da draußen, dass seine Sinne ihm Sinneseindrücke als Reales vorgaukelten. Manchmal fragte er sich, ob es jemals anders gewesen war?
Miranda hatte eine Begabung. Sie beschrieb die Gegebenheiten detailreich und genau.
„ Hier gibt es sagenhaft viele Casinos und Wettbüros. Sportwetten, Geldspielautomaten, blinkende Lichter und Lämpchen. „Open“, blinkt es in farbiger Leuchtschrift, um Spieler hinein zu locken, „Open“ ist hier das am meisten verbreitete Wort. Herr Katzorke, wer ist denn so leichtsinnig, in diesen Spielhöllen sein Glück zu riskieren?“
„ Stark berichtet, Miranda! Ich habe das Gefühl, neben dir zu stehen. Beschreib mir auch die Passanten. Beschreib sie mir so genau wie den Ort! Sieh dir die Typen an, die hineingehen! Was treibt sie an? Und wie ist ihr Ausdruck dabei?“
Wie gern wäre er selbst unterwegs gewesen! Sofort hätte er seine Klientel erkannt, die frisch aus der Haft entlassenen Ex Knackis, die irregeleitet wieder in Schwierigkeiten gerieten. Seinen ehemals scharfen Blick musste er auf seine Scouts übertragen. Sie schulen, nicht nur zu sehen, sondern analytisch das Gesehene zu durchdringen. Und dann war da noch sein Instinkt, der ihn oft erfolgreich geleitet hatte. Ihn auf seine Pfadfinder zu übertragen, war sicher unmöglich.
Wobei ihm von den beiden die Miranda von Hammerstein als Scout talentierter erschien. Glücklich lauschte er dem vibrierenden Timbre ihrer Stimme. Doch ohne Vorwarnung überkam ihn plötzliches Selbstmitleid. Dieser Sound der Straße, der live in sein Zimmer strömte, würde wieder verstummen. Nur eine Illusion, dass er wieder wie früher am Leben teilnehmen könnte. Mit Verzögerung kam die emotionale Reaktion, die er bei seinem Ausflug mit Sandor noch unterdrückt hatte.
Katzorke schaltete sein Mikrofon stumm.
„ Alles in Ordnung, Herr Katzorke? Wie fanden Sie meine Beschreibung?“
Katzorke meldete sich nicht. Er presste sein Gesicht in ein Kissen, bis ihm beinahe die Luft wegblieb. Dann schaltete er sein Mikrofon wieder ein.
„ Gut, Mädchen! Weiter so!“
Jetzt nannte er sie sogar Mädchen. Und seine Stimme klang fürchterlich verschnupft dabei. Komischer Kauz! Miranda schüttelte den Kopf.
Katzorke kreuzte ein Dutzend Einschätzungen für Miranda in seinem imaginierten Verzeichnis an. Sein Gedächtnis rollte es aus wie Papier.
In der Leitung blieb es einen Moment lang still.
„ Haben Sie sich erkältet Herr Katzorke?“
„ Nur verschluckt. Ein Brotkrümel in der Luftröhre.“
„ Ach, so! Da vorne, Herr Katzorke, auf dem Bürgersteig steht ein Mann um die vierzig. Sein Anzug sieht abgewetzt aus. Er raucht eine Zigarette. Direkt vor dem Automatencasino. Er greift in die Tasche und prüft seine Barschaft. Sein Gesicht wirkt angespannt. Er zögert noch. Will er wirklich da rein? Doch, jetzt geht er. Mit einem leidenden Gesicht. Armer Kerl!“
Katzorke hüstelte künstlich.
„ Ein Spielsüchtiger. Vielleicht verzockt er gerade das Geld seiner Familie. Seine Kinder, seine Frau, die müssen seinen Ruin ausbaden. Und das alles, liebe Miranda, hast Du mit nur einmal Hinsehen erkannt. Ich bin stolz auf dich. Bravo!“
Miranda fand seine Argumentation nicht allzu logisch, aber fühlte sich trotzdem geschmeichelt. Als Späherin unterwegs zu sein, war alles andere als alltäglich. Die Eindrücke um sie herum explodierten förmlich beim genaueren Hinschauen. Menschen liefen nicht mehr einfach nur an ihr vorbei, ihr Ausdruck in den Gesichtern ließ mit Katzorke als Lehrer ungeahnte Interpretationen zu. Die waren zwar spekulativ, aber schärften gleichzeitig ihre Sehgewohnheiten. Sie würde von nun an anders sehend durch die Straßen laufen. Miranda hielt weiter nach Spielsüchtigen Ausschau.
„ Jetzt komme ich am Bistro M-DORFER vorbei. Tische stehen auf dem Gehweg. Hier bekommt man Pizza, Döner, halbe Hähnchen und Falafel. Sieht einladend aus.“
„ Hast Du Hunger?“
„ Nein, der Geruch des Frittierfetts erinnert mich an meine letzte Magenverstimmung.“
Miranda wollte vermeiden, dass er sie erneut einlud. Katzorke flog augenblicklich ein Geruch von altem Frittenöl in die Nase. Er jedoch bekam Appetit davon. Früher war er öfter lieber zur Currywurstbude gegangen, als in die Kantine.
„ Die feine
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