Kommissar Morry - Das Phantom
Überraschendes, indem er mit dem Zeigefinger auf den Toten wies.
„Ich hatte schon früher damit gerechnet. — Jetzt, da meine Vermutung eingetroffen ist, sehe ich bedeutend klarer. Aber", fuhr er sofort weiter, als Hauken ihn unterbrechen wollte, „bevor ich hierüber weitere Ausführungen mache, möchte ich sehr gern von dir wissen, was hinter diesem ,und' folgen sollte?"
„Sehr einfach, Morry! Der Mann gehörte einem Gang an und müßte meiner Meinung nach entweder von seinen eigenen Leuten oder von einem fremden Gang ins Jenseits geschickt worden sein."
„Hm, eine zu einfache Formulierung, Hauken. Woraus schließt du, daß der Mann einer Gang angehört haben muß? — Oder ist dir der Mann etwa bekannt?"
„No, bekannt nicht. Aber ..."
„Nichts aber. Eine geladene Pistole tragen heute viele Leute auf ihren Reisen mit. Es ist darum nicht jeder ein Gangster, nur weil er einen Kracher hat. Auch nicht mal alle die Leutchen, die dazu keinen Waffenschein besitzen. Oder?"
„Schon gut, Morry, ich merke, daß du dich revanchieren willst. Doch lassen wir diese brotlose Kunst. Ich sehe ein, daß ich dir den Vorwurf mit dem dritten der Serie nicht hätte machen sollen. Es weiß kein anderer besser als ich, wie schwer es für dich ist, den Täter dingfest zu machen."
Einen Augenblick sah Morry den zu Kreuze kriechenden Freund scharf an, dann war die unschöne Anspielung auf seine bisherigen Mißerfolge in diesem undurchsichtigen Fall für ihn erledigt.
„Schön, daß du es einsiehst. Dann können wir uns nun vernünftig über dieses weitere Verbrechen unterhalten."
„Well, fang an!" gab Hauken zurück und wußte wie das Wort Unterhaltung gemeint war. Kommissar Morry ließ sich nicht lange nötigen. Es hagelte nur so an Fragen auf den Armen ein. Kommissar Hauken, einer der wenigen, die Morrys Erfolge in der Verbrecherbekämpfung neidlos anerkannte, gab sich die größte Mühe, alle Fragen erschöpfend zu beantworten. Auch Brookers blieb nicht untätig. Sich ebenfalls Gummihandschuhe überstreifend, begann er dort die Durchsuchung fortzusetzen, wo Hauken bei dem Erscheinen Morrys aufgehört hatte. Sämtliche Taschen durchwühlte er, und dann hatte er den ersten Anhaltspunkt in seinen Händen. Zwei Fahrkarten der Underground Railway vom heutigen Datum für die Strecke von Chadwell bis zur Liverpool-Station.
„Sir, schauen Sie sich mal diese Tickets an! Zwei Karten für die Fahrt nach Liverpool!"
Kurz besah Morry den Fund, reichte ihn dann weiter an den aufmerksam gewordenen Hauken und traf gleichzeitig seine erste Anordnung.
„Brookers!"
„Ja, Sir!"
Wie ein Wiesel wetzte Brookers los und erhielt zwei Minuten später die Verbindung mit dem Schalter der Chadwell Station. Aber es sollte nicht sein. Der Mann am Schalter schien schwerhörig zu sein, oder das Wort Scotland Yard hatte ihn kopflos gemacht. Aber je lauter Brookers in die Muschel schrie, um so wortkarger wurde das andere Ende der Leitung. Wütend legte Brookers den Hörer auf die Gabel.
„By Gosh, ist denn auf der ganzen Station kein Mensch, mit dem man einigermaßen ruhig reden kann?" wendete er sich an den neben ihm stehenden Fahrdienstleiter.
„Um diese Zeit ist die Chadwell-Station nur noch mit drei Männern besetzt. Sie können es ja bei meinem Kollegen noch einmal versuchen", gab ihm der scheinbar polizeifeindliche Fahrdienstleiter zur Antwort.
„Thanks!" und schon war Brookers wieder aus dem Büro heraus. Mit langen Sätzen raste er den Weg zum Bahnsteig zurück. Nur einen Augenblick verhielt er vor dem
an der Wand des Tunnels angebrachten Fahrplan. Der nächste Zug, der die Chadwell-Station berührte, mußte demnach in drei Minuten von hier abgehen. Ein weiterer, und das war der letzte, würde dann erst in achtundzwanzig Minuten abfahren.
Schweratmend berichtete Brookers Kommissar Morry seine soeben erlittene Panne, aber auch von der Möglichkeit, sich an Ort und Stelle, also in der ChadwelkStation, mit dem Schalterbeamten Rücksprache halten zu können.
„Well, fahren Sie hin und vernehmen den Mann", gab Morry nach kurzem Zögern seinem vor Eifer glühenden Faktotum den Auftrag. Sofort setzte sich dieser nach einem nochmaligen „Yeah, Sir!" in Bewegung.
„Hauken, ich verspreche mir zwar nicht viel davon, aber vielleicht hat der Boy doch etwas Glück und bringt uns eine Beschreibung von der zweiten Person mit", wandte er sich an seinen Kollegen, während Brookers schon die Treppe zum gegenüberliegenden Bahnsteig
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