Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet
hinaus fahren. Die Raketenwerft ist zwar vernichtet, aber das Konstruktionsbüro blieb bisher unversehrt. Die Leute können schon morgen mit dem Bau neuer Raketen beginnen. Es ist also Ihre Aufgabe, dieses Konstruktionsbüro zu zerstören. Sie wisen ja, wo das Gebäude liegt: Am äußersten Ende der ganzen Anlage, dicht neben der Umfassungsmauer. Gerade dieser Umstand wird Ihnen die Arbeit wesentlich erleichtern.“
Antony Fingal fuhr mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Ich kann nicht mehr nach Rockford hinaus fahren“, stöhnte er verzweifelt. „Es läßt sich nicht mehr mit falschen Ausweisen arbeiten. Und ohne Papiere werde ich . . .“
„Sie werden hinter dem Kontrollturm III über die Mauer klettern“, schnarrte die unangenehme Stimme weiter. „Die Steile liegt im toten Winkel aller Scheinwerfer. Auch den Posten werden Sie dort kaum begegnen. Nehmen Sie irgendein Mädchen vom Klub mit. Es sieht dann aus, als hätten Sie sich für ein Schäferstündchen diese Mauer gewählt. Man wird Ihnen nichts anhaben können, solange man Sie nicht gerade beim Überklettern der Mauer ertappt. Ich überlasse es Ihrer Intelligenz, dies zu vermeiden.“
Antony Fingal schluckte krampfhaft seine Angst hinunter. Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. „Ich kann das nicht tun“, stieß er atemlos hervor. „Ich kann wirklich nicht. Dieser Kommissar ist hinter mir her. Er hat mir eben noch die Verhaftung angedroht. Er wird mich keine Stunde mehr aus den Augen lassen.“
„Wollen Sie abtrünnig werden?“ fragte die Stimme lauernd. „Wollen Sie auf einmal den Feigling spielen? Sie erinnern sich doch an das Ende Thomas Cooks?“
Und ob sich Antony Fingal daran erinnerte. Er fingerte mit der Rechten zitternd an seinem Hals herum. Der Kragen war ihm auf einmal zu eng. Er bekam kaum noch Luft. Seine Atemzüge gingen röchelnd und stoßweise.
„Haben Sie doch Verständnis für meine Lage“, flehte er. „Ich habe bisher alles getan, was Sie von mir verlangten. Aber nun geht es über meine Kraft. Ich kann Ihren Auftrag nicht übernehmen.“
„Sie fahren genau um 11.50 Uhr vom Madras Viaduct weg“, tönte es ihm unbarmherzig entgegen. „Um zwei Uhr morgens erwarte ich ihre Meldung. Verstanden ?“
„Nein!“ schrie Antony Fingal mit dünner Stimme in den Apparat. „Ich tue es nicht. Eher laufe ich bei Nacht und Nebel auf und davon.“
Er warf den Hörer auf die Gabel und schwankte mit bleichem Gesicht aus der Kabine. Dann legte er einen Geldschein auf den Tisch und taumelte wie ein Betrunkener aus dem Automatenbüfett. Draußen in der frischen Nachtluft kam er allmählich wieder zur Besinnung. Der kalte Nachtwind tat ihm gut. Seine Gedanken wurden klarer. Wenn ich fliehen will, sinnierte er, brauche ich zumindest einen Vorsprung von einigen Stunden. Ich werde also diesen Auftrag noch einmal ausführen. Ich werde diesen Schuft in Sicherheit wiegen. Und morgen werde ich dann die Flucht vorbereiten. Zögernd ging er zu seinem Wagen. Ihm graute vor dem gefährlichen Ausflug nach Rockford. Er hätte sich am liebsten in einen dunklen Winkel verkrochen. Der (Gedanke an die Wachposten allein verursachte ihm Übelkeit. Er durfte nicht mehr daran denken. Ich werde sie alle im Stich lassen, grübelte er. Randolph Acton und Edward Fann, Ernest Barnham und Oliver Griffin. Sie sollen dann selbst sehen, wie sie zurecht kommen. Vielleicht machen sie es mir nach und suchen das Weite. Vielleicht aber marschieren sie auch direkt in die Hölle.
Er steuerte seinen Wagen zum Madras Viaduct und trat kurz nachher in die schummerigen Räume der Venus Bar ein. Sein Gang war nun wieder ruhig und gleichmäßig, seine Haltung straff und aufrecht. Mit hintergründigem Lächeln ging er auf Luke Macholl zu. Der fleischige Koloß mit dem weißen Pickelgesicht und dem dünnen Rotbart schrak nervös zusammen. „Wenn dich doch einmal der Teufel holen würde“, knurrte er erbost. „Ich bereue keine Sünde in meinem Leben. Aber es wird mir bis zu meiner letzten Stunde leid tun, daß ich mich mit dir eingelassen habe. Was willst du schon wieder? Ich hatte eben erst die Polizei im Haus. Mach's kurz! Und verschwinde dann auf dem schnellsten Weg!“
„Ich brauche Miriam Davis“, murmelte Antony Fingal mit diabolischem Grinsen. „Wo ist sie? Ruf sie her!“ „Die Kleine kann mir leid tun“, sagte Luke Macholl. „Ich bin sonst nicht gerade zart besaitet, aber sie hat wirklich die Hölle auf Erden, so lange sie in deinen dreckigen Händen
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