Kommissar Morry - Der Judas von Sodom
Frau.“
„Hoffentlich ist dann wenigstens seine Großmutter noch am Leben“, sagte Morry spöttisch.
„Sie sollten nicht so leicht darüber hinweggehen, Sir“, meinte Angela Sirion gekränkt. „Die Gattin Thom Harbans starb nämlich keines natürlichen Todes. Sie wurde ermordet. Besser gesagt: sie wurde erwürgt.“
Kommissar Morry drehte sich verblüfft zu Angela Sirion um. Das spöttische Lächeln um seine Mundwinkel war restlos verflogen. „Wie haben Sie das herausgebracht?“ fragte er anerkennend.
„Sehr einfach. Thom Harban saß kürzlich in Untersuchungshaft. Man ließ ihn wieder laufen, weil man keine Beweise gegen ihn hatte. Übrigens hatten sich die irischen Behörden vor einem Jahr schon mit diesem Fall befaßt. Auch sie hatten keinen Erfolg. Thom Harban besitzt ein unerschütterliches Alibi für die Stunde des Mordes.“ Kommissar Morry sinnierte eine Weile vor sich hin. „Erwürgt“, murmelte er leise zwischen den Zähnen. „Das ist natürlich etwas anderes. Ich glaube, wir sollten uns den Mann doch näher ansehen.“
„Darf ich das machen?“ fragte Angela Sirion rasch.
„Sie? Wie wollen Sie das denn anstellen?“ „Eine Frau erreicht mehr als ein Mann“, sagte Angela Sirion lächelnd. „Ich werde ihn umgarnen, Sir. Ich werde ihn mit meinen Zärtlichkeiten weich machen und ihn dann heimlich aushorchen.“ Mein Gott, dachte Morry mitleidig. Mit dieser Brille! Weiß sie denn nicht, wie sie aussieht? Hat sie denn keinen Spiegel zu Hause? Thom Harban wird sofort Reißaus nehmen, wenn er sie nur aus der Ferne sieht.
„Geben Sie mir die Erlaubnis, Thom Harban unter meine Fittiche zu nehmen?“ fragte Angela Sirion zum zweitenmal.
Morry spielte nervös mit einem Bleistift. „Wollen Sie ihm an der Austern Bar auflauern? Wie stellen Sie sich das vor? Sie können ihn doch nicht einfach auf der Straße überfallen.“
„Das nicht“, sagte Angela Sirion trocken. „Er wird sich selbst mit mir anfreunden. Bisher hat er sich noch an jedes Girl in der Austern Bar herangemacht.“
„Stimmt. Aber Sie sind doch kein Tanzmädchen.“
„Doch, Sir. Heute Abend stehe ich zum erstenmal auf der Bühne. Wollen Sie eine Eintrittskarte?“
Kommissar Morry schnellte in die Höhe, als hätte er auf einer Nadel gesessen.
„Nun machen Sie aber Schluß“, polterte er los. „Wollen Sie mir etwa erzählen, man hätte Sie als Tanzgirl für die Austern Bar verpflichtet?“
„Genau das, Sir. Ich wurde als Ersatz für Stephanie Malet engagiert.“
„Können Sie denn überhaupt tanzen?“
„Ich kann noch viel mehr“, strahlte Angela Sirion. „Fechten, Reiten, Schwimmen, Klettern, Schießen...“
„Mußten Sie nicht vortanzen?“
„Freilich, Sir.“
„Und man hat Sie trotzdem genommen?“ „Selbstverständlich, Sir. Ich hatte es nicht anders erwartet.“
„Geben Sie mir die Karte“, sagte Morry hastig. „Ich muß mir das ansehen. Bis jetzt glaube ich es immer noch nicht.“
Angela Sirion blickte ihm wieder voller Zärtlichkeit in die Augen. „Ich werde mein Bestes geben“, hauchte sie. „Ich werde das Gefühl haben, als würde ich für Sie allein tanzen. Holen Sie mich nach Schluß der Vorstellung ab?“
„Ja, das werde ich tun“, sagte Morry mit grimmigem Humor. „Vergessen Sie Ihre Brille nicht. Sonst verfehlen wir uns am Ende noch. Ich bin jetzt schon gespannt, wie sich diese Brille auf der Bühne ausnehmen wird. So was sieht man nicht alle Tage.“
„Ich möchte eine Wette mit Ihnen abschließen“, sagte Angela Sirion zum Abschied. „Eine Wette, daß Sie eines Tages nicht mehr über mich spotten werden. Wieviel wollen Sie riskieren?“
„Zehn Flaschen Sekt“, brummte Morry.
„Gut, Sir! Das gilt. Sie werden die Wette todsicher verlieren.“
Abends um neun Uhr stand Kommissar Morry mit seiner Eintrittskarte vor dem Hauptportal der Austern Bar. Er wurde hin und her geschoben. Die Unglücklichen, die noch kein Ticket hatten, warfen ihn beinahe über den Haufen.
„Ballett heute wieder vollzählig“, stand in schwungvollen Buchstaben über dem Portal. „Zwölf Girls zeigen Ihnen die neuesten Tänze. Sie werden begeistert sein.“
Kopfschüttelnd schritt Kommissar Morry in das Foyer hinein und gab an der Garderobe Hut und Mantel ab.
Ein paar Minuten später saß er auf einem guten Mittelplatz in der kitschig ausstaffierten Bar. Ungeduldig harrte er der Dinge, die da kommen sollten. Dabei war ihm nicht gerade behaglich zumute.
Er sah sich von Schnorrern,
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