Kommissar Morry - Der Judas von Sodom
gleich darauf das Licht aus. Hartnäckig blieb er an der Seite des Spitzels.
„Was ist mit euch?“ fragte er mißtrauisch. „Warum höre ich nichts mehr? Habt ihr euch auf die andere Seite geschlagen? Treibt ihr Verrat?“
Buster Lorre wußte vor lauter Aufregung nicht, was er sagen sollte. Krampfhaft suchte er nach ein paar gleichgültigen Worten. Sie wollten ihm nicht einfallen. Vergebens zermarterte er sein Gehirn. |
„Wo ist Chris Longman?“ fragte der Kommissar eine Sekunde später. „Treffe ich ihn im Bouillonkeller?“
„Nein“, stotterte Buster Lorre. „Er ist weggegangen. Er war hinter dem Mörder her.“
„Hinter dem Mörder?“ fragte Morry argwöhnisch. „Stimmt das?“
„Ja, es stimmt. Ich glaube, er hat ihn bei einem Mord beobachtet. Er ist bisher der einzige von uns, der ihn kennt.“
Morry trocknete sich den Schweiß vom Gesicht. Er war auf einmal hellwach. Verstohlen tasteten seine Blicke den anderen ab. Wenn diese Nachricht stimmte, bescherte ihm diese Nacht einen unverhofften Glückstreffer.
„Nannte Chris Longman den Namen des Mörders?“
Buster Lorre zog den Kopf ein. Er wußte nicht, wieviel er verraten durfte. Auf keinen Fall wollte er sich das lohnende Geschäft verderben. Ihm war inzwischen klar geworden, daß man mit doppeltem Verrat mehr verdiente.
„Der Mann heißt Burt Lukin, Sir, und verkehrt im Mulatten Klub. Früher hat er sich James Hatfield genannt. Aber das wissen Sie ja bereits.“
„Haben Sie eine Ahnung, wo dieser Mann wohnt?“
Ja, das wußte Buster Lorre. Aber er nannte die Adresse nicht. Er wollte wenigstens einen Trumpf in der Hand behalten. „No, Sir“, murmelte er achselzuckend. „Leider kann ich Ihnen damit nicht dienen. Vielleicht erfahren Sie die Adresse im Mulatten Klub. Wenden Sie sich an die beiden Dicken. Felix Humper und Spencer Marshall müssen doch am besten wissen, wo sich ihr geheimnisvoller Freund aufhält.“
Morry nickte. Das war auch seine Meinung. Er war Buster Lorre jedenfalls sehr dankbar für den Tip. Wortlos drückte er ihm ein paar Scheine in die Hand.
„Danke, Sir“, stotterte der Spitzel schuldbewußt. „War eigentlich nicht der Rede wert, was ich Ihnen da erzählte.“ Scheu drückte er sich an dem Kommissar vorbei. Hastig lief er dann auf den Bouillonkeller zu, um sich und seinen Freunden eine festliche Mahlzeit zu gönnen.
Kommissar Morry dagegen leistete sich keine Ruhepause. Er hielt schnurstracks auf den Mulatten Klub zu. Lässig und mit unbewegtem Gesicht tauchte er in der verräucherten Gaststube auf. Day er erst gestern hier gewesen war, fand er sich mühelos zurecht.Gleichgültig ging er an den Mulatten und Gelben vorüber. Auch um die liederlichen Frauenzimmer, die zwischen den Farbigen herumtollten, kümmerte er sich nicht. Er schlenderte an die Theke und verlangte vom Wirt den Schlüssel für die Telefonkabine. Als er in den gläsernen Kasten eintrat, blickte er rasch nach links und rechts. Bisher war ihm niemand gefolgt. Er war ganz allein in dem dämmrigen Flur. Er nahm den Hörer ab, drehte die Wählscheibe und wartete ungeduldig, bis die Verbindung hergestellt war. Ein Sergeant der Zentrale meldete sich.
Kommissar Morry nannte flüsternd seinen Namen. „Sehen Sie zu, daß Sie sofort Inspektor Rhonda erreichen. Wenn das nicht klappt, nehmen Sie Verbindung mit Wachtmeister Giles auf. Einer von diesen beiden soll mit drei oder vier Konstablern sofort in den Mulatten Klub am Sodom Wall kommen. Sagen Sie den Herren, es sei dringend. Haben Sie verstanden?“
„Jawohl, Sir!“
Morry legte den Hörer auf und verließ die stickige Kabine. Er kehrte in die Gaststube zurück. In lässiger Haltung trat er an den Tisch heran, der den beiden Dicken Vorbehalten war. Felix Humper und Spencer Marshall glotzten ihm stumpfsinnig entgegen. Sie hatten kaum noch Platz in der Ecke. Die Tischkante schnitt hart in ihre feisten Bäuche. Morry ließ sich lächelnd am Tisch nieder und bestellte ein helles Bier.
„Wie gehen die Geschäfte?“ fragte er spöttisch.
„Schlecht, Kommissar. Ausgesprochen schlecht. Schrott ist zur Zeit nicht gefragt. Ja, wenn endlich wieder einmal ein Krieg käme . . .“
„Versündigen Sie sich nicht“, sagte Morry schroff. Er blickte sich suchend um. Gleich darauf faßte er die beiden Dicken scharf ins Auge. „Wo ist Burt Lukin?“ fragte er wie aus der Pistole geschossen.
„Wer, Kommissar?“
„Burt Lukin!“
„Sorry, Kommissar! Den Namen haben wir nie gehört. Sie müssen
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