Kommissar Morry - Der Judas von Sodom
sich täuschen. Ein Burt Lukin ist nie im Mulatten Klub gewesen.“
„Denken Sie mal scharf nach! Ich lasse Ihnen fünf Minuten Zeit. Wenn Sie dann noch immer nicht wissen, wo Burt Lukin zu finden ist, dann nehme ich Sie mit. Kapiert?“
Die beiden Dicken blinzelten schläfrig mit den Augen. Sie schienen die Drohung nicht ernst zu nehmen. Dann sah Kommissar Morry plötzlich, wie Felix Humper den Farbigen ein heimliches Zeichen gab. Es wurde völlig still in der Gaststube. Als Morry sich einmal umdrehte, merkte er, daß sie alle in seine Richtung stierten. In ihren Augen schwelten Haß und Niedertracht. Sie blickten ihn nicht gerade an. Sie schielten giftig an ihm vorbei. Einige Sekunden später hörte er, daß sie aufstanden und leise zu ihm herschlichen. Sie standen wie eine feindselige Mauer hinter ihm. Jeden Moment konnte der zündende Funke fallen. Ein einziges Wort von Felix Humper würde genügen. Dann mußte es unweigerlich zur Katastrophe kommen.
Morry spürte deutlich die Gefahr, die lauernd von allen Seiten auf ihn zukroch. Vielleicht dauerte es nur noch ein paar Sekunden, bis der Tanz losging. Wenn nur Inspektor Rhonda schon da wäre, dachte er besorgt. Mit vier Konstablern an der Seite sieht die Sache anders aus. Allein würde er gegen diese Übermacht hoffnungslos unterliegen. Er war nervös, aber er ließ sich nichts davon merken. Ruhig und gleichgültig blieb er am Tisch sitzen. Er drehte sich nicht mehr um. Bis dann auf einmal ein Bierglas an seinem Kopf vorbeizischte und klirrend an der Wand zerschellte. Das war das Alarmsignal. Es ging los. Mit einem blitzschnellen Sprung war Morry auf den Beinen. Geschmeidig zog er sich an die Wand zurück. Grimmig starrte er auf die Gelben und Braunen, die ihn von vorn und von der Seite anschlichen. Sie kamen näher. Die ersten waren unmittelbar vor ihm. Sie duckten sich. Sie suchten eine Blöße. Ihre dürren Klauen wollten ihm an den Hals fahren. Aber Morry handelte rascher. Er bekam einen Malaien zu fassen. Er wirbelte ihn hoch. Mit voller Wucht schleuderte er ihn den Angreifern entgegen. Er hörte Flüche und Verwünschungen. Er hörte das kehlige Wutgeschrei der Malaien. Sie griffen erneut an. Sie kamen in ganzen Rudeln. Morry spürte, wie ihm der Schweiß über das Gesicht lief. Besorgt blickte er auf die Tür. Wo blieb Rhonda? Warum kam er nicht endlich? Es war höchste Zeit. Sie hingen bereits wie die Kletten an ihm. Wenn er zwei oder drei abschüttelte, fielen die ändern über ihn her. Sie klammerten sich an seinen Hals. Sie versuchten, ihn zu Boden zu zerren. Ihre Finger gruben sich wie Krallen in seinen Körper. Morry konnte sich nur noch mit Mühe aufrecht halten. Er wußte, daß es gleich vorbei sein würde. Wenn er erst einmal am Boden lag, gab es keine Rettung mehr für ihn. In dieser höchsten Bedrängnis stand ihm jedoch wieder sein sprichwörtliches Glück zur Seite. Die Tür flog auf. Inspektor Rhonda stürmte herein. Hinter ihm folgte Wachtmeister Giles. Dann kamen vier Konstabler, die man scheinbar eigens ausgesucht hatte. Sie sahen aus wie ehemalige Preisboxer. Wie mächtige Bullen brausten sie in die Gaststube hinein.
„Hierher!“ rief Morry heiser. „Schaffen Sie mir diese Burschen vom Hals.“
Die biederen Konstabler ließen sich das nicht zweimal sagen. Sie droschen auf die Gelben und Braunen ein, daß es nur so staubte. Der Boden bedeckte sich mit verkrümmten und stöhnenden Gestalten. Die beiden Dicken, die eingezwängt in ihrer Ecke saßen, blickten bleich und unruhig auf das dramatische Geschehen. Vier, fünf Minuten lang dauerte der wüste Kampflärm. Dann hatten die Konstabler gründlich aufgeräumt. Was von den Farbigen nicht wimmernd am Boden lag, flüchtete entsetzt durch die Hintertür. Am Ende blieben nur noch Felix Humper und Spencer Marshall übrig. Sie waren jetzt ohne Gefolgschaft. Die ganze Meute hatte sie im Stich gelassen.
„Sie sind festgenommen“, zischte Morry schroff. „Führen Sie diese beiden Halunken ab, Wachtmeister. Sie sind dringend verdächtig, einem gewissen Burt Lukin Beihilfe zum Mord geleistet zu haben.“
13
Am nächsten Morgen sah man Kommissar Morry nichts mehr an von dieser aufregenden Schlacht. Er saß wie immer hinter seinem Schreibtisch und blätterte eine Akte durch. Als sich die Tür seines Dienstzimmers öffnete, hob er rasch den Kopf. Angela Sirion tauchte auf der Schwelle auf. Mit den wuchtigen Schritten eines Dragoners kam sie an seinen Schreibtisch heran. Es fiel ihm sofort
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