Kommissar Morry - Der Judas von Sodom
Sicht. Es hatte noch geöffnet. Rote Neonröhren leuchteten über dem Eingang.
„Was meinst du, Thom?“ fragte Liz Etty mit gepreßtem Atem. „Wollen wir nicht hierbleiben?“
„Wie du willst“, sagte er zerstreut.
Liz Etty überlegte nicht länger. Sie ging mit ihm durch die Drehtür. Sie trat an den Empfangsschalter heran. „Haben Sie noch Zimmer frei?“ fragte sie ein wenig verlegen.
„Für ein Ehepaar?“ wollte der Nachtportier wissen.
„Ja“, sagte Liz Etty.
„Nein“, sagte Thom Harban.
„Was nun?“ brummelte der Portier mürrisch. „Sind Sie verheiratet oder nicht? Das sollten Sie doch eigentlich wissen.“
„Zwei Einzelzimmer, bitte“, sagte Thom Harban höflich. „Ich bezahle gleich.“
Er legte einen Schein auf den Tisch und nahm dafür zwei Schlüssel in Empfang. Die Zimmer lagen im vierten Stock. Sie mußten eine endlose Treppe hinaufklettern. Thom Harban klimperte gedankenversunken mit den beiden Schlüsseln. Er sagte nichts. Wortlos öffnete er die erste Tür. Ein nettes Zimmer tat sich vor ihnen auf.
Es war freundlich möbliert und besaß außer einem blütenweißen Bett auch noch ein bequemes Ruhesofa.
„Gute Nacht“, sagte Thom Harban. „Sperr die Tür ab. Ich schlafe nebenan. Morgen früh sehen wir uns wieder. So long.“
Liz Etty vertrat ihm den Weg. „Welchen Sinn hätte das“, murmelte sie mit gesenktem Blick. „Warum willst du mich unbedingt allein lassen, Thom? Dann hätte ich ja gleich in der Artistenpension bleiben können. Ich brauche dich. Verstehst du das denn nicht?“
„Na schön“, meinte Thom Harban und sperrte die Tür ab. „Dann bleibe ich eben. Hoffentlich bedauerst du es morgen nicht.“
Liz Etty löschte das Licht. Sie kleidete sich im Dunkeln aus. Sie legte sich zu Bett. Müde streckte sie die Glieder auf dem weichen Lager aus. Von Thom Harban hörte sie nichts. Er bewegte sich geräuschlos wie eine Katze in der Finsternis. Er verursachte nicht den geringsten Laut. Liz Etty horchte mit zwiespältigen Gefühlen in die Stille. Sie hatte eigentlich keine Angst. Sie hatte auch keine Zweifel an der Schuldlosigkeit Thom Harbans. Und dennoch lastete eine merkwürdige Beklemmung auf ihr. Sie hatte das Gefühl, als würde eine schwere Last auf ihrer Brust liegen.
Sie lügen alle, dachte sie mit quälenden Gedanken. Sie tun ihm unrecht. Er hat nie etwas Schlechtes getan. Er ist nicht schuld am Tod Kate Hugards oder Stephanie Malets. Er hat sie wohl gekannt, aber nie hätte er ihnen etwas zuleide getan. In Wirklichkeit ist er mir immer treu gewesen . . .
Noch immer lauschte sie in die Dunkelheit. Sie glaubte einen verstohlenen Schritt neben ihrem Lager zu vernehmen. Sie glaubte auch einen heißen Atem zu spüren.
Rasch richtete sie sich auf. Ihre Augen starrten angestrengt in die Schwärze des Zimmers. Sie konnte nichts erkennen. Nicht einmal einen Schatten. Da machte sie Licht. Zitternd tasteten ihre Finger nach dem Knopf der Lampe. Die Dunkelheit zerstob unter einem warmen Lichtschein. Mein Gott, wie hatte sie sich getäuscht. Es war gar niemand vor ihrem Lager. Thom Harban lag unschuldig auf seinem Sofa und blickte gedankenvoll zur Decke empor.
„Gute Nacht“, sagte er zärtlich. Das war alles.
15
Sie waren nur noch zu viert am hintersten Tisch im Bouillonkeller am Sodom Wall. Chris Longman war und blieb verschwunden. Er hatte sich seit jener Nacht nicht mehr gemeldet. Man mußte sich damit abfinden, daß er tot war.
„Wenn er wenigstens gesagt hätte, wo er hingegangen ist“, brummte Steff Milligan verdrossen. „Dann könnten wir ihn suchen. Aber so haben wir ja nicht den geringsten Anhaltspunkt.“ „Doch“, sagte Buster Lorre nach längerem Zögern. „Ich weiß etwas, Boys! Er wollte mit Burt Lukin verhandeln.“
„Wo?“
Buster Lorre zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung, wo er sich mit ihm treffen wollte. Aber das ist ja auch gleichgültig.“
„Worüber wollte er denn mit Burt Lukin verhandeln?“ fragte Ronald Mursell mit verkniffenen Augen.
Buster Lorre gab sich einen krampfhaften Ruck. Nun mußte er alles sagen. Er konnte nicht mehr zurück.
„Chris Longman“, brummte er, „hat Burt Lukin bei einem Mord am Sodom Wall beobachtet. Zuerst wollte er den dreckigen Halunken der Polizei ausliefem. Aber als er dann dahinterkam, wie reich dieser Schuft ist, da überlegte er es sieh anders. Er wollte sich sein Stillschweigen teuer bezahlen lassen. Könnt ihr das verstehen, Boys? Wir hätten alle unseren Teil davon
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