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Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Titel: Kommissar Morry - Der Judas von Sodom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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dieser windigen Bude und fühlte sich eigentlich pudelwohl zwischen den vier Holzwänden. Er sperrte die Tür auf und tappte in die finstere Baracke hinein. Noch ehe er wieder absperren konnte, schlug ein heftiger Windstoß die Tür krachend an die Wand. Und dann sah Steff Milligan plötzlich einen schwarzen Schatten, der wie ein Gespenst über ihn herfiel. Er spürte zehn zuckende Finger an seinem Hals, die sich wie Klauen in seine Kehle gruben. Der brutale Würgegriff machte ihn vom ersten Moment an kampfunfähig. Noch ehe er zur Besinnung kam, wurde er auch schon zu Boden gerissen. Der alte Wollschal, in dem seit Jahren die Motten nisteten, war stabiler als er je gedacht hätte. Er wurde zur Todesschlinge. Er riß nicht. Er legte sich zerrend um Nacken und Hals. Stöhnend versuchte sich Steff Milligan freizumachen. Er zappelte wie ein Wurm. Sein Keuchen und Gurgeln erfüllte die ganze Baracke. Aber es war sinnlos, was er tat. Die qualvollen Anstrengungen machten ihn nur noch eher fertig. Restlos ausgepumpt blieb er schließlich liegen. In seinen Ohren dröhnte ein schauerlicher Gesang. Er hatte das Gefühl, als sängen ihm hundert Betrunkene einen entsetzlichen Abschiedskantus. Dann war es plötzlich zu Ende. Steff Milligan stürzte in jenen schwarzen Abgrund, der niemand wieder freigibt. Er war schon tot, als sich sein Mörder entfernte.

    16

    Wie sich alles im Leben wiederholt, so wiederholte sich auch das stundenlange Warten für Buster Lorre, Huck Polland und Ronald Mursell, als sie am nächsten Abend im Bouillonkeller am Sodom Wall saßen. Seit Stunden schon hockten sie da und stierten stumpfsinnig auf den Eingang. Nur, daß sie diesmal nicht auf Burt Lukin warteten, sondern auf Steff Milligan.
    „Das ist noch nie dagewesen“, brummte Buster Lorre kopfschüttelnd. „Seit wir in diesem Keller unseren Stammplatz haben, ist Steff immer pünktlich gewesen. Meist war er der erste. Nach neun Uhr ist er überhaupt nie gekommen.“
    „Vielleicht ist er an eine Schnapsflasche geraten“, meinte Huck Polland zögernd. „Ihr wißt doch, wie gierig er über jeden Fusel herfällt. Wenn es so ist, dann können wir lange auf ihn warten. Er wird auf seiner Klappe liegen und schnarchen.“
    Sie starrten alle auf die Uhr. Es war schon kurz vor elf. Es hatte fast keinen Sinn mehr, noch länger auf ihn zu warten.
    „Will euch mal was sagen“, zischelte Buster Lorre. „Warum sollen wir hier bis Mitternacht Maulaffen feilhalten. Wir können auch ohne Steff nach Limehouse gehen. Werden dort Burt Lukin die Pistole auf die Brust setzen. Wenn er nicht zahlt, lassen wir ihn hochgehen. Ist das ein Wort, Boys?“
    „Ja, das ist ein Wort“, brummten die beiden ändern. „Los, wir setzen uns sofort in Marsch. Unterwegs können wir ja mal bei Steff vorbeischauen. Wenn er nicht stockbesoffen ist, nehmen wir ihn mit.“
    Sie warfen sich in ihre alten Klamotten und trampten los. Es war so windig und kalt wie gestern. Der Sturm fegte eisig um die Häuserecken. Die Themse gebärdete sich wie wild. Weiße Schaumkronen segelten auf den schwarzen Wellen. Die drei Zinker steckten tief die Köpfe in ihre schäbigen Jacken und hielten auf den Güterbahnhof zu. Es dauerte etwa fünf Minuten, bis sie das Wapping Gate erreichten. Dunkel und armselig lag der ehemalige Geräteschuppen vor ihnen. Man sah keinen Lichtschein. Der Wind zerrte die lockeren Bretter hin und her.
    „Er ist nicht da“, brummte Huck Polland. „Das sehe ich von weitem. Möchte nur wissen, was mit ihm los ist?“
    Sie kamen alle an den Schuppen heran. Sie stießen gegen die Tür. Noch im gleichen Moment flog sie krachend nach innen.
    „Eh“, zischte Buster Lorre argwöhnisch. „Da stimmt doch was nicht. Kommt her, Boys! Macht Licht!“
    Eine Taschenlampe flammte auf. Ihr Schein geisterte durch die dunkle Baracke. Dünn spielte der Lichtstrahl über den Boden hin. Ein dunkles Bündel zeichnete sich von den morschen Brettern ab.
    „Da liegt er“, keuchte Buster Lorre verstört. „Verflucht, Boys! Dieser Teufel hat es ihm genauso gemacht wie Chris Longman. Jetzt wißt ihr, was uns blüht, wenn wir diesen Schuft nicht bald vor die Pistole bekommen.“
    Sie drängten alle in die muffige Behausung herein. Sie umstanden schweigsam den Toten. Sie sahen den verknoteten Schal, der wie eine Schlinge um seinen Hals lag. Sie sahen auch sein eingesunkenes Gesicht und die Todesangst, die sich bitter und verzerrt um den Mund eingegraben hatte.
    „Das soll er büßen“, schwur

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