Kommissar Morry - Der Tod war schneller
Hilfsinspektor May die Waffe damals wirklich im Krankenzimmer des Hospitals liegenließ."
„Er ließ sie nicht liegen", unterbrach Inspektor Flavius scharf. „Er legte sie in die Nachttischschublade. Das mußten Sie unbedingt sehen. Sie haben die Waffe ja auch später mitgenommen."
„Ich weiß nicht, Sir", erwiderte Clark Dixon kläglich. „Vielleicht nahm ich sie wirklich mit. Ich war noch ganz benommen von meiner schweren Verletzung. Ich kann mich an nichts mehr erinnern."
„Hatten Sie Streit mit Ihrer Frau, als Sie in Ihre Wohnung zurückkehrten?"
„Nein, Sir! Ich hatte in den vier Jahren meiner Ehe niemals Streit mit Mary. Sie war viel zu sanftmütig dazu."
Inspektor Flavius blätterte wieder raschelnd in seinen Papieren. „Wenn Sie unschuldig sind", meinte er, „warum sind Sie dann so überstürzt abgereist?"
„Das stimmt nicht, Sir", unterbrach Clark Dixon hastig. „Es war keine Flucht, wie Sie vielleicht glauben. Ich hatte von meiner Bank Urlaub bekommen. Ich wollte mich in einem kleinen Nest in Schottland von den Aufregungen des Überfalles erholen. Als ich die Nachricht von dem Mord an Mary las, kehrte ich mit dem nächsten Zug nach London zurück. Das ist die reine Wahrheit."
„Wo waren Sie in Schottland?"
„In Edinburgh."
„In welchem Hotel?"
Clark Dixon nannte Namen und Adresse.
„Waren Sie allein in Edinburgh?"
Clark Dixon straffte den schmächtigen Körper mit einem tiefen Atemzug. „Ja ich war allein, Sir! Sie können das jederzeit nachprüfen."
Das peinliche Verhör dauerte noch zwei Stunden lang. Clark Dixon schwitzte am ganzen Körper. Das Hemd klebte ihm am Leibe. Die fahlblonden Haare hingen ihm schweißnaß in die Stirn.
„Wo werden Sie in Zukunft wohnen, Mister Dixon?" beendete der Inspektor die Vernehmung.
„Ich bleibe am Pavement in Clapham."
„In Ordnung, Mister Dixon! Sie werden sich je» den Morgen um neun Uhr hier im Revier melden. Überdies müssen Sie noch heute Ihren Paß abgeben. Sie hören wieder von uns."
Clark Dixon durfte gehen. Wie ein Schwerkranker schlich er aus der Sprechzelle. Als er auf der Straße stand, begannen ihm die Augen zu tränen. Das Sonnenlicht tat ihm weh. Wohin jetzt, überlegte er. Was fange ich mit diesem lächerlichen Urlaub an? Am liebsten würde ich meinen Dienst in der Bank wieder aufnehmen. Nur die Arbeit könnte mir jetzt helfen. Er schwankte auf die nächste Telephonzelle zu und rief die Central Common Bank an. „Verbinden Sie mich bitte mit der Scheckabteilung", bat er demütig. „Ich möchte meinen Abteilungsleiter sprechen."
Es dauerte keine drei Sekunden, da war Lucius Banim auch schon am Apparat. Zuerst klangen seine Worte sehr höflich, aber als er den Namen Clark Dixon hörte, wurde er plötzlich steif und reserviert. „Was wünschen Sie noch?" fragte er eisig. „Sie sind vom Dienst suspendiert, Mister Dixon! Sicher haben Sie es auch nicht anders erwartet."
„Doch", knirschte Clark Dixon in ohnmächtigem Grimm. „Ich bin unschuldig, Mister Banim. Man hat mich eben verhört. Wenn ich ein Mörder wäre, hätte man mich verhaftet."
„Ich kann nicht über Ihre Schuld oder Unschuld entscheiden", erwiderte Lucius Banim wortkarg. „Ich werde Sie mit Direktor Bienheim verbinden. Einen Moment, bitte!"
Der zweite Direktor war wie immer freundlich und voll hilfsbereiter Güte. Er änderte seinen Ton auch nicht, als er erfuhr, wer am Apparat war.
„Was ist denn los mit Ihnen, Dixon?" fragte er besorgt. „Wie kommen Sie denn in einen solch ungeheuerlichen Verdacht? Hatten Sie wirklich einen Anlaß, Ihre Frau . . . ?"
„Um Gottes willen, Sir", stieß Clark Dixon hervor. „Sie müssen mich doch kennen. Ich wäre nie einer solchen Tat fähig gewesen. Und gerade an jenem Tag, wo ich so benommen und kraftlos von meiner Verletzung war . . ."
„Wir reden noch darüber, Mister Dixon", sagte Ashley Bienheim beruhigend. „Sollte sich Ihre Unschuld erweisen, so bleibt Ihnen Ihr Arbeitsplatz in der Bank erhalten. Genügt Ihnen das?"
„Ja, Sir! Besten Dank", sprudelte Clark Dixon hervor. Er hängte den Hörer ein und taumelte erschöpft aus der Zelle. Wieder überlegte er, wohin er jetzt gehen sollte. Er hatte Hunger. Er wollte sich irgendwo verkriechen, wo er keine argwöhnischen oder spöttischen Augen auf sich gerichtet sah. Als er zwei Stunden später ein kleines Lokal in Kennington betrat, sah er, daß die Steckbriefe an den Plakatsäulen überklebt wurden. Diese Tatsache machte ihn etwas ruhiger. Er wurde also
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