Kommissar Morry - Die Stimme des Terrors
seufzte Kitty erleichtert. Sie eilte davon und hastete den Hügel hinauf.
Roger legte den Rückwärtsgang ein. Er mußte viel Gas geben und die Kupplung etwas schleifen lassen, um den Wagen aus dem weichen, sandigen Boden herauszubekommen. Endlich hatte er es geschafft. Er warf einen Blick hinauf zu Kitty. Sie winkte ihm beruhigend zu. Keine Gefahr!
Er wendete den Wagen, so daß der Kühler auf die Grube wies, und näherte sich dem Tümpel an einer Stelle, wo der Boden ziemlich abschüssig war. Bei dem Rest handelte es sich um ein Kinderspiel. Kurz vor dem Grubenrand würde er anhalten und die Handbremse ziehen. Dann brauchte er nur noch auszusteigen, die Handbremse zu lockern, und dem Wagen einen Stoß zu geben. Er wagte es nicht, einen Blick nach hinten, in den Wagenfond, zu werfen. Merkwürdig, dachte er... das war nun einmal mein Freund!
Die Freundschaft mit Patrick schien etwas ganz anderes gewesen zu sein, eine Sache, die mit dem jetzigen Geschehen in keiner Weise verbunden war, etwas Unwirkliches, weit Entferntes...
Er war jetzt ganz dicht vor der Grube und trat auf die Bremse. Sein Herzschlag setzte einen Moment lang aus, als er merkte, daß sich das Bremspedal ohne Widerstand und Wirkung durchtreten ließ. Dann erinnerte er sich der Handbremse. Er riß sie heraus... aber auch sie zeigte keinerlei Wirkung. Er wollte den Schlag öffnen und in letzter Sekunde ins Freie springen, aber es war schon zu spät. Der Wagen rollte über den Grubenrand und klatschte in das tiefe Wasser. Rogers Aufschrei ging in diesem Geräusch unter. Er dachte: das ist das Ende!
Das schmutziggraue Wasser preßte sich gegen die geschlossenen Scheiben. Er wurde umhergewirbelt, als sich der Wagen im Wasser wendete. Dann wurde es dunkler um ihn. In seiner Kehle saß der Terror. Er versuchte sich an die Dinge zu erinnern, die er über das Verhalten in einem solchen Fall gelesen hatte. Abwarten, dann eines der Fenster öffnen und versuchen, an die Oberfläche zu schwimmen...
Roger streifte das Jackett ab, hielt aber auf halbem Weg inne. Nein! Er durfte hier drin nichts zurücklassen, was später als Beweis gegen ihn verwendet werden konnte. Wenn der Tümpel im Sommer austrocknete, bestand die Möglichkeit, daß der Wagen sichtbar werden würde. Aber was war jetzt das wichtigste? Zunächst kam es doch nur auf das Überleben an...
Er merkte, daß ihn die Furcht keinen klaren Gedanken mehr fassen ließ. Ihm war, als müßte er ersticken. Wie tief lag der Wagen unter der Oberfläche Zwei oder zwölf Meter? Er war kein guter Schwimmer, aber diesmal mußte er es schaffen. Es ging um Tod oder Leben...
*
Kitty O'Conners hatte das Unglück vom Hügel aus verfolgt. Sie stand ein paar Sekunden wie erstarrt. Warum hatte er nicht gebremst? Warum war er nicht rechtzeitig ausgestiegen? Hatte er in einem Anfall von geistiger Umnachtung plötzlich den Freitod gesucht Das konnte doch nicht sein!
Sie hastete den Hügel hinab, obwohl ihr dämmerte, daß es keine Hilfe geben konnte.
Als sie schweratmend am Rande der Grube stand, fiel ihr ein, daß nun zwei Wagen in der Talsenke standen. Was sollte sie mit Rogers Wagen beginnen? Sollte sie ihn ebenfalls in die Grube stürzen?
Plötzlich sah sie, wie sich unter der Oberfläche etwas bewegte. Rogers Kopf tauchte auf. Er schwamm bis an den Rand. Sie reichte ihm beide Hände und zog ihn heraus. Er warf sich am Rande der Grube mit dem Gesicht zu Boden, unfähig, auch nur ein Wort zu äußern. Kitty hockte sich neben ihm nieder. Behutsam strich sie mit der Rechten über seinen klatschnassen Kopf.
„Roger, Liebling!" schluchzte sie. Sie war nicht in der Lage, ihre Nerven noch länger unter Kontrolle zu halten. „Wie konnte das nur geschehen?"
Er atmete keuchend. Ihm war, als müßte er sich erbrechen.
Ich lebe, dachte er. Ich lebe, ich lebe, ich lebe...
Dann wälzte er sich auf den Rücken. Die Tränen in Kittys Augen taten ihm gut.
„Lieber Himmel", ächzte er. „Das hätte leicht schiefgehen können!"
„Wie ist es passiert?"
„Die Bremsen versagten."
„Die Bremsen?" wunderte sich Kitty und trocknete ihre Tränen. „Das ist doch kaum möglich! Patrick war ein guter Mechaniker. Er legte immer großen Wert darauf, daß sie gut funktionierten."
„Mit Patrick hat das nichts zu tun", sagte Roger. Sein Blick wurde starr. Er erhob sich und streifte das nasse Jackett ab. „Es war Sabotage."
„Sabotage?"
„Ein Mordversuch, wenn dir das Wort besser gefällt."
„Das kann nicht sein!"
„O
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