Kommissar Morry - Ich habe Angst
ist da noch etwas anderes, das Sie so nebenbei . . .?"
„Darüber weiß ich nichts", sagte Lydia Brandon scheu. „Weitere Einzelheiten werden mir noch mitgeteilt. Fragen Sie mich bitte nicht weiter aus, Mr. Boswell! Sie quälen mich nur."
Sie lehnte sich erschöpft in die Polster zurück und schloß die Augen. Etwas später ließ sie sich von Jack Havard Feuer geben und rauchte in hastigen Zügen eine Zigarette. Wie schön sie ist, dachte Jack Havard bewundernd. Man müßte etwas für sie tun. In den dreckigen Fingern Alban Lampards wird sie bestimmt zugrunde gehen. Genauso wie Henry. Ich werde ihr wohl oder übel die Wahrheit sagen müssen.
„Hören Sie mir gut zu, Miß Brandon", begann er in beschwörendem Tonfall. „Ich will Ihnen jetzt die reine Wahrheit sagen. Ich bin gar nicht Henry Boswell, verstehen Sie? Ich heiße Jack Havard. Ich will mit den dunklen Machenschaften Alban Lampards nichts zu tun haben. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Miß Brandon, dann treten Sie von dem Auftrag schleunigst zurück, ehe es zu spät ist. Lassen Sie sich nicht für irgendeine Gemeinheit mißbrauchen. Verkriechen Sie sich für ein paar Wochen. Ich werde Ihnen gern helfen. Wenn Sie Geld brauchen sollten, so bin ich jederzeit bereit, Ihnen . . ."
„Ach", sagte Lydia Brandon und kräuselte spöttisch die roten Lippen. „Sie wollen mich wohl auf die Probe stellen, wie? Ich soll auf einen faulen Trick hereinfallen, damit Sie sofort zu Alban Lampard gehen können und ..."
„Sind Sie denn nicht bei klarem Verstand?" polterte Jack Havard ärgerlich. „Ich will Sie doch nur vor einer großen Dummheit bewahren, Miß Brandon! Hier, betrachten Sie meine Ausweise! Heiße ich nun Jack Havard oder nicht?"
„Ausweise können gefälscht sein", sagte Lydia Brandon müde. „Alban Lampard versteht sich meisterhaft auf solche Dinge. Damit können Sie mir also nicht imponieren, Mr. Boswell! Ich weiß genau, was ich von Ihnen zu halten habe. Sie sind bestimmt um kein Haar besser als die anderen. "
Jack Havard mußte es vorerst aufgeben, diese törichte Frau zu warnen. Sie lief mit wissenden Augen in ihr Unglück. Sie wollte es nicht anders. Die Angst vor Alban Lampard war anscheinend größer als ihr fraulicher Instinkt. Sie ließ sich weder belehren noch warnen.
„Na schön", sagte Jack Havard, als der Zug in die kleine Station Mala Green einlief. „Eines Tages werden Sie sicher darauf kommen, daß Sie sich viel hätten ersparen können, wenn Sie in dieser Stunde nicht so eigensinnig gewesen wären."
„Ach was", sagte Lydia Brandon verächtlich, während sie sich erhob und ihren Kostümrock glattstrich. Sie knöpfte ihre Jacke zu.
„Ach was", sagte sie noch einmal von oben herab. „Ich kann mir genau vorstellen, was Sie im Schilde führen, Mr. Boswell! Ich soll tagsüber bei Mr. Scott arbeiten und abends für Ihr Privatvergnügen da sein, nicht wahr? So ungefähr haben Sie sich das ausgedacht. Aber daraus wird nichts, verstanden? Ich werde nur das tun, was mir Alban Lampard befiehlt. Ihm muß ich gehorchen. Sie wissen ja, warum."
Sie stiegen aus und gingen durch die Sperre. Als sie ihre Fahrkarten abgaben, blickte ihnen der Schaffner respektvoll nach. Es war selten, daß sich ein so elegantes Paar nach Mala Green verirrte. Es war wirklich ein ziemlich ödes Nest, das die neue Heimat Lydia Brandons werden sollte. Hinter wuchernden Gärten versteckten sich Landsitze und die bescheidenen Villen pensionierter Beamter. Schon nach kurzem tauchte das Haus Norbert Scotts vor ihnen auf. Es war ein weitläufiger grauer Kasten, der düster hinter schwarzen Tannen lag. Lydia Brandon blickte schaudernd auf die altersdunklen Mauern. Ihre Brust hob sich unter einem beklommenen Atemzug. Zaudernd ging sie auf das schmiedeeiserne Gartentor zu. Ängstlich musterte sie die rauschenden Bäume. Jack Havard hielt sich bescheiden im Hintergrund.
„Ich warte dort drüben im Gasthaus auf Sie", raunte er ihr zu. „Wenn Sie Ihre Unterredung m it Mr. Scott beendet haben, so kommen Sie sofort zu mir und erstatten Meldung. Haben Sie verstanden?"
Lydia Brandon nickte nur. Sie hatte bereits das schwere Gartentor geöffnet. Ihre leichten Schuhe knirschten auf dem Kies. Sie ging langsam auf die graue Villa zu.
Erst als sie im Haus verschwunden war, löste sich Jack Havard aus dem Schatten der Gartenhecke und steuerte auf das Gasthaus zu, das schräg gegenüber lag. Es war eine gemütliche Schankstube, in die er da geriet. An den Tischen saßen
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