Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kommissar Morry - Ich habe Angst

Kommissar Morry - Ich habe Angst

Titel: Kommissar Morry - Ich habe Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
Vom Netzwerk:
zurückkehren würde. Er wußte nicht, daß es sein letzter Gang war. Das Jagdrevier, das er seit Jahren gepachtet hatte, begann gleich jenseits der Lichtung hinter Mala Green. Er überquerte einen Bach und wanderte durch den dunklen Forst. Er ging zur Jagdhütte, die unter hohen Tannen gelegen war. Auf der Bank neben der Türfront ließ er sich nieder. Er starrte in den wogenden Frühnebel. Sinnlos eigentlich, daß er sein Gewehr mitgenommen hatte. Er würde ja doch nicht zum Schuß kommen. Das Wetter war denkbar ungünstig. Aber er konnte immerhin seine Gedanken in Ordnung bringen. Dazu war die Morgenstunde in der Waldeseinsamkeit wie geschaffen. Er dachte an Lydia, die jetzt noch schlief. Vielleicht träumte sie von ihm. Vielleicht würde sie ihm bei seiner Heimkehr einen zärtlichen Kuß schenken. Weiter kam Norbert Scott nicht mit seinen Gedanken. Er hörte plötzlich ein kratzendes Geräusch im Unterholz.
    Sofort war er auf den Beinen.
    „Ist da jemand?" rief er. „Hallo, ist da jemand?"
    Es war der Tod, der sich gemeldet hatte. Ahnungslos ging Norbert Scott auf das Dickicht zu. Er kannte weder Aufregung noch Furcht. Hier in der Gegend hatte es noch nie einen Wilderer gegeben. Auch keine Strolche, die nachts auf Raub ausgingen. Es konnte sich also nur um ein neugieriges Stück Wild handeln oder um einen Menschen, der sich in diese Einsamkeit verirrt hatte. Norbert Scott kletterte die Böschung hinunter und blieb zwischen dichtem Unterholz stehen.
    „Ist da jemand?" fragte er noch einmal.
    Im nächsten Moment wurde er von hinten zu Boden gerissen. Er schlug hart auf der Erde auf. Zwei brutale Hände entrissen ihm die Bocksflinte. Der Lauf richtete sich auf seinen Kopf. Die kreisrunde Mündung zeigte genau auf seine Stirn. Jetzt erst wurde sich Norbert Scott der Gefahr bewußt, in der er völlig hilflos schwebte. Er lag wehrlos am Boden. Kein Mensch war in der Nähe, der ihm hätte helfen können.
    Er sah, daß der andere den Finger am Abzug hatte. Er entsicherte die Waffe. Der Zeigefinger krümmte sich durch.
    „Nicht", keuchte Norbert Scott in jäh aufsteigender Angst. „Was wollen Sie denn von mir? Ich habe doch keinem Menschen etwas getan. Lassen Sie mich nach Hause. Ich werde keine Anzeige erstatten. Ich will doch nur zu Lydia, die auf mich wartet und gar nicht weiß, daß ich hier...“
    Er sprach seine flehenden Worte in den Wind. Er redete mit einem herzlosen Teufel, der weder Mitleid noch Gnade kannte. Entsetzt krümmte sich Norbert Scott zusammen. Jede Sekunde wartete er auf den donnernden Schuß. Jeder Atemzug konnte der letzte sein. Sein Leben hing an einem unendlich dünnen Faden.
    „Wollen Sie Geld?" fragte er mit fiebrigem Atem. „Ich habe genug. Sie sollen die Hälfte davon bekommen. Aber nehmen Sie jetzt das Gewehr weg. Lassen Sie mich gehen."
    Er stöhnte laut auf, als der Schuß fiel. Schrill verhallte der Todesschrei im nebligen Gehölz. Er zerstörte den letzten Lebensfunken. Norbert Scott war tot. Er lag mit offenen Augen da und starrte mit leeren Blicken auf seinen Mörder. Der aber ging kaltblütig daran, alle Spuren seiner Anwesenheit zu erwischen. Er nahm ein Tuch aus der Tasche, säuberte sorgfältig den Lauf und den Schaft des Gewehrs von allen Fingerabdrücken, legte dann die schlaffe Hand des Toten um den Kolben und drückte die Finger dagegen. Anschließend legte er die Waffe quer neben den reglosen Körper und entfernte sich in Richtung auf Mala Green. Es war die sechste Morgenstunde, als das geschah.

    10

    Als Lydia Brandon aus tiefem Schlaf erwachte, war es schon acht Uhr morgens. Durch die Fensterscheiben fielen die müden Strahlen der Oktobersonne. Im Hause war alles still. Es rührte sich kein Laut. Ich werde Weggehen, dachte Lydia Brandon, als sie nebenan im Bad ihren Körper abduschte. Ich werde es ihm noch heute sagen. Es hat keinen Sinn. Ich habe mir zuviel vorgenommen. Ich halte diese Lüge und Falschheit nicht aus. Ich muß ihm ehrlich ins Gesicht sagen, daß ich ihn nicht liebe und nur wegen Alban Lampard so schäbig gehandelt habe. Sie zog sich an und ging in die Küche hinunter. Sie bereitete den Morgenkaffee und richtete das Frühstück zu. Dazwischen blickte sie immer wieder auf die Uhr. Wo er nur bleibt, grübelte sie weiter. Er ist doch ein passionierter Frühaufsteher. Sollten die Tabletten noch immer wirken? Haben sie ihm vielleicht geschadet? Waren es zu viele? Eine jähe Unruhe erfüllte sie plötzlich. Die Angst fiel wieder über sie her. Sie hastete

Weitere Kostenlose Bücher