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Kommissar Morry - Ich habe Angst

Kommissar Morry - Ich habe Angst

Titel: Kommissar Morry - Ich habe Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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die Treppe empor und rannte bis an das Ende des langen Ganges, wo das gemeinsame Schlafzimmer lag. Sie riß die Tür auf. Sie stürmte über die Schwelle. Dann sah sie das zerwühlte Bett. Es war leer. Norbert Scott war bereits aufgestanden. Er wird auf der Jagd sein, dachte sie erleichtert. Er geht ja oft schon früh am Morgen weg. Ich machte mir völlig unnötige Sorgen. Sie kehrte in die Halle zurück. Sie wollte eben in die Küche gehen, um das Frühstück allein einzunehmen, da läutete das Telefon. Lydia kehrte um. Sie griff nach dem Hörer. Sie lauschte auf das Summen in der Leitung. „Hier Scott“, meldete sie sich. „Wer spricht?"
    Ein heiseres Räuspern am anderen Ende des Drahtes. Dann ein paar hastig gemurmelte Worte: „Norbert Scott ist tot. Seien Sie vorsichtig. Sie werden die Polizei rufen müssen. Erwähnen Sie nichts von diesem Gespräch. Ende!"
    Lydia glaubte, mit wachen Sinnen zu träumen. Sie starrte verständnislos auf den Apparat.
    „Hallo", murmelte sie verstört. „Was reden Sie denn da? Wer sind Sie überhaupt?"
    Keine Antwort. Die Leitung war tot. Nur ein leises Summen flutete durch den Draht.
    Lydia Scott legte den Hörer auf und ging zum Kamin, der ihr erloschen und kalt entgegengähnte. Sie sank in einen Sessel. Sie vergrub das Gesicht in beiden Händen. Ihre Gedanken irrten leer im Kreise. Eine entsetzliche Ahnung stieg in ihr auf. Eine Ahnung, die ihr Blut zum Erstarren brachte. Es dämmerte ihr, daß alles nach einem raffiniert eingefädelten Plan ablief. Nur das verbrecherische Gehirn Alban Lampards brachte solche Teufelskünste zuwege. Er hatte wieder einmal alles genau vorausberechnet.
    „Entsetzlich!" flüsterte sie mit zuckenden Lippen. „Es ist entsetzlich. Ich habe das gräßliche Spiel mitgemacht, ohne den Ausgang zu ahnen. Sobald ich nur den Mund aufmache, wird mich jeder Mensch für mitschuldig halten. Keiner wird glauben, daß ich nicht aus Gewinnsucht handelte.. Ich wollte kein Geld. Ich wollte nur meinen Frieden vor Alban Lampard haben." Sie fand plötzlich keine Ruhe mehr. Sie ging zum Waffenschrank und entdeckte auf den ersten Blick, daß die Bocksflinte fehlte.
    Norbert war also wirklich auf die Jagd gegangen. Um diese Vormittagsstunde aber war er sonst immer längst zurück gewesen, Es stimmte also, daß ihm etwas passiert war. Der Fremde am Telefon hatte nicht gelogen. Es war die bittere Wahrheit, die er gesagt hatte. Die furchtbare Wahrheit eines eben geschehenen Verbrechens, das sich nie wiedergutmachen ließ. Bis zum Mittag blieb Lydia in verzweifelter Stimmung am Kamin sitzen. Dann hielt sie es nicht mehr länger aus in dem schweigsamen Haus. Sie zog einen Herbstmantel an und lief auf die Straße. Sie begab sich geradewegs zum Revier der Grafschaftspolizei. Sie wurde respektvoll empfangen. Der Wachhabende wußte sofort, wer sie war. Sie hatte ja gestern erst geheiratet. Ihr Name war in aller Munde. Der kleine Sergeant erinnerte sich mit etwas Neid daran, wie reich diese Frau durch ihre Heirat geworden war.
    „Kann ich etwas für Sie tun, Mrs. Scott?" fragte er höflich. Lydia ging aufgeregt vor dem einfachen Schreibtisch auf und ab. Sie verkrampfte die feuchten Hände. Sie wagte den Uniformierten nicht anzusehen.
    „Mein Mann ist bis jetzt von der Jagd nicht zurückgekehrt", stieß sie nervös hervor. „Ich fürchte, es ist ihm etwas zugestoßen. Könnten Sie nicht das Jagdgebiet absuchen lassen?"
    Der Sergeant lächelte spöttisch. Welch ein Getue diese verliebten Hochzeitspärchen haben, dachte er ärgerlich. Kaum ist der Mann sechs Stunden von zu Hause weg, dann rennt die Frau auch schon zur Polizei. Dabei wird der biedere Hochzeiter nur irgendwo einen Frühschoppen trinken.
    „Es ist gut, Madam", brummte er schließlich. „Ich werde die Fahndung verständigen. Bleiben Sie zu Hause bitte am Apparat. Rufen Sie uns sofort an, wenn Ihr Mann zurückkehren sollte."
    Lydia richtete sich gehorsam nach dem Befehl. Sie kehrte in den grauen Steinkasten an der Parkside zurück. Sie machte Feuer im Kamin. Fröstelnd ließ sie sich vor der lodernden Glut nieder. Sie schüttete sinnlos ein paar Gläser Wein in sich hinein und rauchte ununterbrochen. Ständig horchte sie zum Telefon hin. Jede zweite Minute blickte sie auf die Uhr. Es verging Stunde um Stunde, ohne daß etwas geschah. Sie wartete vergebens auf das Läuten des Telefons. Dieses untätige Warten aber zermürbte ihre Nerven. Sie konnte nichts tun. Sie mußte hier sitzen und warten. Immer nur warten.

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