Kommissar Morry - Ich habe Angst
vielleicht schon bald eine neue Aufgabe für sie haben.
12
Der Abteilungsdirektor der Continental Le- bensversicherungsgesellschaft rief am nächsten Morgen Inspektor Palmer in Scotland Yard an.
„Guten Morgen, Sir", begrüßte er ihn hastig. „Ich habe von unserem Prokuristen Mr. Havard gehört, daß Sie damals die Hintergründe des Selbstmordes von Henry Boswell untersuchten. Sie wissen sicher, Sir, daß Henry Boswell früher einmal bei unserer Gesellschaft arbeitete, bis man ihn wegen Unregelmäßigkeiten entließ."
„Ja, das ist mir natürlich bekannt", sagte Inspektor Palmer ziemlich gleichgültig. „Ich redete oft genug mit Jack Havard darüber. Er hat ja am Schicksal seines Vetters größten Anteil genommen."
„Hm", sagte Direktor Egerton. „Von Jack Havard möchte ich gerade reden. Er ist unser Prokurist. Sicher wissen Sie das? Er ist im Laufe der letzten Wochen hinter einige Dinge gekommen, die nicht ganz geheuer sein dürften. Wenn nicht alles täuscht, sind wir einer großen Sache auf der Spur, Sir! Es handelt sich um mehrfachen Mord und Versicherungsbetrug."
„Was Sie nicht sagen", spöttelte Inspektor Palmer. „Und ausgerechnet Jack Havard ist hinter diese Betrugsmanöver gekommen?"
Charles Egerton runzelte die Stirn.
„Ich würde die Sache etwas ernster nehmen, Sir“, sagte er ungehalten. „Mir wäre es auch, offen gesagt, lieber, wenn Kommissar Morry in unser Bürohaus käme. Zu ihm habe ich mehr Vertrauen. Und er ist sicher auch der einzige Mann, der dieses schwierige Kapitel lösen kann."
„Wie Sie wollen", brummte Inspektor Palmer gekränkt. „Ich werde Kommissar Morry verständigen. Er wird sicher noch heute bei Ihnen vorsprechen."
Tatsächlich erschien der berühmte Polizeikommissar noch im Laufe des Vormittags im Büro Charles Egertons. Er war frisch und gebräunt, als sei er eben von einem längeren Urlaub zurückgekommen.
„Na, was haben Sie auf dem Herzen, Mr. Egerton?" fragte er lebhaft. „Ich hörte etwas von Mord und Versicherungsbetrug. Glauben Sie wirklich, daß die Dinge so ernst liegen?"
„Moment!" sagte der Direktor mit sorgenumwölkter Stirn. „Ich werde Jack Havard rufen. Er kann Ihnen die Dinge besser erklären als ich."
Eine Minute später erschien Jack Havard im Zimmer. Er grüßte den Kommissar höflich und respektvoll. Er brachte ein Protokollbuch mit, schlug es auf und legte es auf dem Schreibtisch nieder.
„Ich arbeite seit zehn Jahren bei der Continental", begann er bescheiden zu plaudern. „Mein Vetter und ich sind damals zusammen bei dieser Firma eingetreten. Henry hat es leider nur ein paar Jahre ausgehalten. Er wurde entlassen, weil er sich eine Unterschlagung zuschulden kommen ließ."
„Weiter!" sagte Kommissar Morry. „Das alles wissen wir schon."
„Ich habe lange darüber nachgedacht, warum Henry wohl Selbstmord begangen hat. Ich hegte schon seit Jahren den Verdacht, daß er sich auf krumme Dinge eingelassen hatte. Ich glaube nun zu wissen, womit er sich sein Geld verdiente ..."
„Womit denn?" fragte der Kommissar gespannt.
„Mit Versicherungsbetrug."
„Wollen Sie mir das nicht näher erklären?"
„Das läßt sich nicht mit ein paar Worten abtun", meinte Jack Havard. „Lassen Sie mich zunächst eine Liste vorlesen, die ich in den letzten Wochen zusammenstellte. Es handelt sich um sechs Versicherungsfälle, die unserer Gesellschaft große Verluste brachten."
„Fangen Sie an!"
„Da wäre zunächst John Luffman, der vor anderthalb Jahren eine Versicherung über dreißigtausend Pfund bei uns abschloß. Die hohen Prämien, die er zu zahlen hatte, standen in keinem Verhältnis zu seinem Einkommen. Zwei Wochen nach der Hochzeit verunglückte er tödlich auf einer Bergtour. Er hing am gleichen Seil wie seine junge Frau, aber während er in den Abgrund stürzte, konnte sie sich retten. Die trauernde Witwe kassierte bei uns die Versicherungssumme und wurde seither nie wieder gesehen. Sie ist mit unbekanntem Ziel verreist."
Kommissar Morry nickte. „Weiter", sagte er neugierig.
„Zwei Monate später ließ sich ein gewisser Samuel Levy bei uns versichern, diesmal handelte es sich um eine Summe von fünfzehntausend Pfund. Auch Mr. Levy heiratete kurz nachdem er die Versicherung abgeschlossen hatte. Er genoß sein junges Eheglück genau sechs Tage lang. Er verunglückte bei einer Motorbootfahrt. Es war während eines Gewittersturms. Mr. Levy versank in den Fluten, aber seine Frau konnte sich retten.
Sie war noch auffallend
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