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Kommissar Morry - Ich habe Angst

Kommissar Morry - Ich habe Angst

Titel: Kommissar Morry - Ich habe Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Blomfield blickte zu Boden. Sie konnte sich zu keinem Entschluß durchringen. Sie hatte für ihren Bruder schon zuviel geopfert, um nun alles einfach hinwerfen zu können.
    „Ich will es mir überlegen", sagte sie leise. „Kommen Sie jetzt, Mister Havard. Ich muß zurück. Der Professor wartet auf mich. Er will mir noch etwas diktieren."
    „Packen Sie lieber Ihre Koffer", sagte Jack Havard grimmig. „Ich erwarte Sie morgen früh um acht Uhr am Verwaltungsgebäude der Continental-Versicherung. Werden Sie kommen?"
    „Ja", sagte Lydia Blomfield leise. „Ich tue alles, was Sie wollen, Mister Havard. Ich habe Vertrauen zu Ihnen."
    Jack Havard brachte sie zum Haus des Professors zurück. Er wartete, bis sie im Portal verschwunden war, dann ging er rasch die Straße hinunter und trat in eine Telephonzelle ein. Er wählte die Nummer Scotland Yards. Er ließ sich mit Kommissar Morry verbinden.
    Er erzählte dem berühmten Detektiv buchstabengetreu, was er soeben erfahren hatte. Er bekam ein begeistertes Lob. Und Morry versicherte ihm, noch in dieser Nacht einen Steckbrief hinter dem Mörder Edward Brandon herzujagen.

    18

    Inzwischen war Lydia Blomfield in das Studierzimmer Professor Cavells eingetreten. Er hatte wirklich schon auf sie gewartet. Aber nicht um ihr zu diktieren, sondern sich mit ihr auszusprechen. Er hatte eine ganze Menge auf dem Herzen. Er suchte verlegen nach dem richtigen Anfang. Aber als er dann endlich beginnen wollte, läutete das Telephon.
    Ärgerlich nahm er den Hörer ab. „Es ist für Sie", sagte er kurz nachher.
    Lydia Blomfield wäre am liebsten weggelaufen. Sie wußte, was nun kommen würde. Ihre Ahnung hatte sie noch nie betrogen. Vielleicht hatte Alban Lampard ihr Gespräch belauscht? Sicher wußte er bereits wieder, mit welchen Plänen sie sich trug.
    Sie meldete sich mit dünner Stimme. Atemlos lauschte sie in die Leitung. Sie hörte eine harte, blecherne Stimme. Alban Lampard war am Apparat.
    „Passen Sie gut auf, Miß Blomfield", murmelte er hastig. „Ich bin zur Zeit ewig auf der Flucht. Ich kann nicht auch Ihren Bruder noch mitschleppen. Er braucht ein sicheres Versteck außerhalb Londons. Und zwar noch heute nacht."
    „Was soll ich tun?" fragte Lydia Blomfield unruhig.
    „Es ist jetzt sieben Uhr", murmelte Alban Lampard. „Sie werden mit dem Abendzug um 9.18 Uhr von der London Bridge Station wegfahren. In Marlon steigen Sie aus. Hinter dem Bahnhofsgebäude werde ich mit Ihrem Bruder auf Sie warten. Haben Sie das alles begriffen?"
    „Ja", hauchte Lydia Blomfield kraftlos und legte den Hörer auf.
    Sie hatte in diesem Moment alles vergessen, was Jack Havard zu ihr gesagt hatte. Sie dachte nur noch an Edward, dem sie helfen mußte. Er wartete in Marlon auf sie. Er hatte keinen Menschen außer ihr. Sie durfte ihn nicht im Stich lassen.
    „Ist etwas Besonderes?" fragte Professor Cavell hilfsbereit.
    „No, Sir", sagte Lydia Blomfield rasch. „Ich muß noch einmal weg. Ich soll nach Marlon fahren. Es kann spät werden, bis ich zurückkomme. Vielleicht auch erst morgen früh. Sie wissen ja, wo ich bin, Sir!"
    Professor Cavell legte ein paar Scheine auf den Tisch und lächelte sie dabei schüchtern an.
    „Nehmen Sie das als Reisegeld", meinte er. „Sie haben es ehrlich verdient. Ich habe Ihnen viel zu verdanken. Aber darüber reden wir morgen weiter. Gehen Sie jetzt!"
    Lydia Blomfield zog sich auf ihr Zimmer zurück und ordnete ihre Sachen, als wüßte sie bereits, daß sie nie wieder hierher zurückkehren würde. Sie packte ihre Reisetasche in aller Ruhe. Sie tat alles geistesabwesend und mechanisch. Um halb neun Uhr verließ sie das Haus und fuhr mit dem Bus zur London Bridge Station. Es war neun Uhr, als sie dort ankam. Sie hatte noch Zeit. Sie löste ihre Fahrkarte und ging langsam hinaus in die Bahnsteighalle. Ein kalter Wind winselte unter den rauchgeschwärzten Dächern. Es war frostig und ungemütlich. Ein paar Lampen schaukelten unruhig an den Drähten. Lydia Blomfield stieg in den Personenzug und bekam ein Abteil, in dem sie ganz allein war. Der Zug war fast leer. Es roch nach kaltem Rauch und muffiger Luft. Die Birne an der Wagendecke verbreitete nur einen armseligen Schein. Pünktlich um 9.18 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Die Räder begannen zu rollen. Sie holperten über Weichen und ratterten dann eintönig die Schienen entlang. Im Wagen selbst blieb alles still. Kein Mensch schien sich in den benachbarten Abteilen aufzuhalten. Lydia Blomfield rechnete in

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