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Kommissar Morry - Ich habe Angst

Kommissar Morry - Ich habe Angst

Titel: Kommissar Morry - Ich habe Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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ging er darauf zu. Er hatte Sehnsucht nach Licht und Wärme und nach Menschen. Er mußte vieles vergessen. Deshalb trat er ein. Er ging auf den Tisch zu, an dem er immer mit Esther Harras gesessen hatte. Und sie saß auch jetzt da. Wahrhaftig, sie saß auf ihrem alten Platz und blickte ihm erstaunt entgegen. Ein glückliches Lächeln erhellte ihr schönes Gesicht. Sie freute sich, daß er kam. Man sah es ihr deutlich an. Sie war überrascht wie ein kleines Mädchen am Weihnachtsabend.
    „Meine Gedanken müssen Sie hierher gerufen haben", sagte sie leise. „Ich dachte die ganze Zeit an Sie. Ich hatte nur den einen Wunsch, daß Sie kämen. Ich habe Ihnen viel zu sagen." Sie rückte auf die Seite. Er mußte sich neben sie setzen. Sie legte zärtlich ihre Hand auf seinen Arm.
    „Ich bin nur zu Besuch in London", sagte sie. „Ich wohne jetzt in Averon. Das ist vierzig Meilen von hier entfernt."
    Jack Havard hatte ihr nicht zugehört. Seine Gedanken waren weit entfernt.
    „Lydia Blomfield ist tot", sagte er düster. „Man fand sie ermordet auf der Bahnstrecke nach Marlon. Sie wurde aus einem Zug gestürzt. An ihrem Hals befanden sich Würgespuren."
    Esther Harras verbarg die zitternden Hände unter der Tischdecke. Ihr Gesicht hatte sich jäh verfärbt. Sie war weiß wie Kreide.
    „Vielleicht wartet auf mich das gleiche, bittere Schicksal", sagte sie verschlossen.
    Aber auch diesmal beachtete Jack Havard ihre Worte nicht.
    „Ich mache mir Vorwürfe", sagte er. „Bittere Vorwürfe, weil ich zu langsam war. Ich hätte sofort handeln müssen. Mein Zögern brachte Lydia Blomfield den Tod."
    „Sie reden immer nur von ihr", murmelte Esther Harras und ihre roten Lippen zuckten schmerzlich. „An mich denken Sie gar nicht. Ich habe Ihnen ein paarmal geholfen. Nun müßten Sie mir auch einmal helfen. Allein weiß ich nicht mehr weiter."
    Jetzt, zum erstenmal, wandte ihr Jack Havard seine volle Aufmerksamkeit zu.
    „Was ist?" fragte er verdutzt. „Erzählen Sie!" Er konnte sich eigentlich nicht vorstellen, daß sie große Sorgen hatte. Sie sah verführerisch und bezaubernd aus wie eh und je.
    „Ich wohne jetzt in Averon", wiederholte sie, „das ist vierzig Meilen von hier entfernt."
    „Was tun Sie da?"
    „Ich habe eine Stelle bei einem Grundstücksmakler angenommen. Ich bin bei ihm als Agentin für Werbung und Reklame beschäftigt. Alban Lampard hat mir die Stelle vermittelt. Er wollte uns trennen. Ich kann also in Zukunft nicht mehr auf Sie aufpassen, Mr. Havard. Seien Sie bitte vorsichtig."
    Sie hatte ihre eigenen Sorgen und dachte doch wieder nur an ihn. Seine Sicherheit lag ihr am meisten am Herzen.
    „Vielleicht bin ich Monate weg", sagte sie. „In der Zwischenzeit wird man Ihnen wieder auflauern und gefährlichste Jagd auf Sie machen. Verraten Sie niemand Ihre Wohnung. Melden Sie Ihr Telefon ab. Meiden Sie einsame Gegenden."
    „Sie sind also jetzt bei einem Grundstücksmakler beschäftigt?"
    „Ja."
    „Wohnen Sie auch in seinem Haus?"
    „Ja."
    „Ist der Mann Junggeselle?"
    „Ja, das ist er."
    „Und warum machen Sie sich Sorgen? Ist dieser Mann der Anlaß?"
    „Ja", sagte Esther Harras gequält. „Ich fürchte mich vor ihm, Mr. Havard. Er ist ein schmieriger Kerl, der mir immerfort nachstellt. Er bedrängt mich, wo er nur kann. Er protzt mit seinem Reichtum. Er glaubt, er könne sich alles damit kaufen. Auch mich. Aber darin irrt er sich. Ich liebe nur einen Mann, das wissen Sie ja."
    Jack Havard wußte es scheinbar nicht, denn er ging nicht auf ihre letzten Worte ein.
    „Warum?"
    „Warum bleiben Sie dann bei ihm?" fragte er gespannt.
    Esther Harras spielte mit ihrem Kaffeelöffel. Sie sann eine Weile nach.
    „Welchen Beruf haben Sie, Mr. Havard?" fragte sie dann.
    „Ich bin Prokurist."
    „Hm. Könnten Sie diesen Beruf nicht auch in einer anderen Stadt ausüben?"
    „Warum?"
    „Ich würde dann mit Ihnen gehen. In einer anderen Stadt müßte ich mich nicht vor Alban Lampard fürchten. Und an Ihrer Seite würde ich mich sicher und geborgen fühlen. Könnten Sie mir diesen Wunsch nicht erfüllen? Ich möchte nicht gern nach Averon zurück."
    Jack Havard blickte sie forschend an. Ihn durchzuckte auf einmal ein ungeheuerlicher Gedanke. Ein Plan reifte in ihm, der so absonderlich und grotesk war, daß er unwillkürlich den Atem anhielt. Er fragte sich nur, ob sich Esther Harras dafür hergeben würde.
    „In einer anderen Stadt", sagte er, „sind wir vor Alban Lampard genauso wenig sicher wie hier. Wir

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