Kommissar Morry - Lautlos kommt der Tod
er:
„Das dürfte wohl genügen."
Wie von einer Feder geschnellt, sprang Kriminalrat Hunter auf. Seine stahlgrauen Augen blitzten auf, als er fragte: „Sind Sie etwa schon soweit Morry? Haben Sie den Täter?"
Mit beiden. Händen wehrte Morry ab: „Wir werden sehen, Herr Kriminalrat. In einer Stunde kann ich Ihnen mehr sagen."
„Hals und Beinbruch, Morry", stieß Allan Hunter aus und unterschrieb den Haussuchungsbefehl. Dicker Nebel schob sich durch das dichte Häusermeer Londons. Mit verbissenem Gesicht näherte sich Morry dem Wohnwagen Alfonso Tornados und spähte dabei mit scharfen Augen umher. Er versuchte, das Wolkenmeer mit seinen Augen zu durchdringen, aber es gelang ihm nicht, und so war er mehr oder weniger von seinem Orientierungssinn abhängig. Plötzlich blieb er stehen. Nach seinem Gefühl mußte sich hier in der Nähe der Wohnwagen befinden. Nach kurzem Zögern schritt er weiter und stieß einen unterdrückten Fluch aus, als er über ein straff gespanntes Seil stolperte.
Demnach mußte sich also links von ihm das Zirkuszelt befinden, und so ging er schrittweise in dieser Richtung weiter. Endlich erreichte er den Wohnwagen des Artisten. Lauschend blieb er vor der Tür stehen. Nichts war vernehmbar. Gut, daß er einen Haussuchungsbefehl bei sich hatte, der sein Vorhaben sanktionierte. Vorerst klopfte er mehrere Male gegen die Tür, und als sich drinnen nichts regte, holte er entschlossen seinen Spezialdietrich hervor. Es gelang ihm schon nach wenigen Sekunden, das einfache Sicherheitsschloß zu öffnen. Morry hütete sich nun, sofort den Wagen zu betreten, denn er traute Alfonso Tornado ohne weiteres zu, daß dieser ihn vielleicht sogar erwartete, um mit ihm abzurechnen. Aber drinnen blieb es weiterhin ruhig. Morry sank nun in sich zusammen und knipste dabei seine Taschenlampe an. Der harte Strahl fuhr durch den dunklen Raum, tastete sich an den Wänden entlang und verharrte einige Sekunden auf der Couch, die an einer Querwand stand. Alfonso Tornado war nicht anwesend. Jetzt erst betrat Morry den Wagen, zog die Tür hinter sich zu, schaltete die Beleuchtung ein und begab sich sofort zu dem kleinen Wandschrank, den er von seinem ersten Besuch her genau kannte. Behutsam öffnete er die Tür, und dann starrte er ungläubig auf das Futteral der Wurfmesser, nicht ein Messer fehlte! Wie war das möglich?! Er hatte doch vorhin für einen Momentisolch ein Wurfmesser in der Hand gehabt. Andererseits hatte der Artist ja genug Zeit gehabt, die Mordwaffe wieder hierherzubringen, und wer weiß, wo er sich jetzt aufhielt. Auf jeden Fall war Morry entschlossen, auf den Mann hier zu warten. Er ließ sich in einen Sessel fallen und betrachtete aufmerksam den langgestreckten Raum. Er hatte eine anheimelnde Atmosphäre. Morry wurde schläfrig. Der Blutverlust hatte ihn doch mehr geschwächt, als er geglaubt hatte, und um munter zu bleiben, zündete er sich schnell eine Zigarette an. Er konnte es sich nicht erlauben, hier einzuschlafen, denn wenn er die Rückkehr des Artisten überhörte, konnte es unangenehme Folgen für ihn haben.
Nach einer halben Stunde blickte Morry nervös zur Uhr. Der Morgen graute, und die dichten Nebelschwaden begannen sich zu zerteilen. Plötzlich richtete sich der Kommissar auf. Sein scharfes Gehör hatte schleichende Schritte vemommen, die sich langsam dem Wohnwagen näherten. Sofort ließ Morry seine rechte Hand in die Tasche gleiten, und als er den kühlen Stahl seiner Waffe fühlte, überkam ihn eine sichere Ruhe. Jetzt war er bereit, und jetzt konnte Alfonso Tornado den Wagen betreten. Da wurde auch schon die Tür aufgestoßen. Verwundert sah Morry den Mann an, der ihn gleichzeitig betrachtete. Wie verändert war das Gesicht des Artisten. Fahl — tiefe Schatten lagen unter den Augen, und sie wirkten in ihrer Glanzlosigkeit wie erloschen. Was mochte der Mann hinter sich haben. Hatte er etwa wieder einen Menschen ermordet, und wurde er durch die Last des Gewissens derartig gepeinigt, daß er die Übersicht verloren hatte? Hoffentlich war es so, denn dann würde der Mann bei dem nun folgenden Verhör unbedingt zusammenbrechen. Alfonso Tornado schien wie aus einem Traum zu erwachen. Schauspielerte er, oder war seine Gleichgültigkeit echt, als er apathisch fragte: „Was wollen Sie denn schon wieder hier?! Lassen Sie mich endlich in Ruhe und scheren Sie sich zum Teufel — — ich möchte allein sein." Plötzlich aber straffte sich seine Gestalt, und das leidenschaftliche Feuer glomm in
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