Kommissar Morry - Lautlos kommt der Tod
was er tun sollte. Wenn Joe erfuhr, daß er wie ein Anfänger in eine Falle gelaufen war, dann konnte er was erleben. Aber er brauchte es ihm ja gar nicht zu sagen! Es lag jetzt an ihm, die Frau so einzuschüchtern, daß sie es nicht wagen würde, von ihm eine Beschreibung zu geben. Und so zog er mit grimmigem Gesicht seine Waffe heraus, legte sie auf Mrs. Fleming an und sagte drohend: „Hör mal zu, mein Kind, in wenigen Minuten wird mein Freund kommen. Wir verschwinden dann sehr schnell. Daß ihr nachher die Polizei benachrichtigen werdet, ist mir klar. Aber nun möchte ich dir einen persönlichen Rat geben."
Brutal griff er an ihre Schulter und preßte sie so zusammen, daß sie schmerzgequält aufschrie. „Solltest du bei der Polizei eine Beschreibung von mir geben, dann kannst du damit rechnen, daß ich dich in den nächsten Tagen persönlich aufsuche. Ich werde dann deinem Gesicht eine persönliche Behandlung angedeihen lassen, und du kannst dich darauf verlassen, daß dich nachher kein Mensch mehr wiedererkennen wird."
„Nie werde ich das tun", jammerte Mrs. Fleming und seufzte erleichtert auf, als die pressende Hand sich von ihrer Schulter löste.
„Na, dann ist es gut", sagte ein wenig freundlicher der Gangster, „wir sind uns also einig, nicht wahr? Nun gib mir mal einen Whisky, mein Goldkind, damit wir auf unsere Freundschaft anstoßen können."
Betty Fleming hütete sich, dem Befehl des Gangsters nicht nachzukommen, und so erhob sie sich mit zitternden Beinen und wollte sich gerade zur Anrichte begeben, als die hoch erhabene Hand des Gangsters sie auf ihren Platz bannte.
„Hallo, Baby", flüsterte er, „sie kommen schon zurück. Donnerwetter", er warf einen Blick auf die Uhr, „das war aber Maßarbeit. Genau fünfundzwanzig Minuten."
Da kam auch schon der stiernackige Gangster ins Zimmer gestürzt und rief dem anderen hastig zu: „Los, wir müssen sofort verschwinden, wir dürfen keine Sekunde mehr verlieren."
„Wo ist mein Mann", stammelte die Frau des Hauses und sah den Gangster mit weit auf gerissenen Augen an.
„Der kommt bald nach", erklärte in ruhigem Ton der Verbrecher, „wir sind auf gehalten worden . . . wurden vom Wächter überrascht. Ich mußte ihn zusammenschlagen, und Ihr Mann bemüht sich um ihn."
„Ist das auch wahr?" forschte erregt Betty Fleming.
„Ich gebe Ihnen mein Wort", entgegnete der Gangster überheblich. Dann warf er seinem Komplicen einen bedeutungsvollen Blick zu, und ohne sich um die Frau zu kümmern, die mit hängenden Armen mitten im Zimmer stand, stürmten sie davon.
Noch einige Sekunden stand Betty Fleming regungslos da. Sie hatte die Augen geschlossen und schien nach innen zu horchen. Warum klopfte ihr das Herz so heftig?! War es das Ahnen des kommenden Unheils? Stoßweise kam ihr Atem! Aber der Verbrecher hatte ihr doch gesagt, daß Winston nichts geschehen sei. Konnte man aber auf das Wort eines solchen Schurken etwas geben? Sie mußte zu ihrem Mann . . . sofort . . . und schon eilte sie hinaus. Ohne sich einen Mantel überzuziehen, durchquerte sie den kleinen Park und blickte suchend umher, nachdem sie die Straße erreicht hatte.
Wo war der Wagen?! Die Straße war leer, weit und breit kein Mensch aber dennoch taumelte sie weiter, nicht des peitschenden Regens achtend, der sie in wenigen Minuten völlig durchnäßte. Sie mußte zu ihrem Mann . . . vielleicht brauchte er sie, und so lief sie immer schneller dahin, getrieben von Sorge und Angst. Plötzlich fuhr sie erschrocken hoch. Dicht an ihrer Seite stoppte ein Wagen. Ein Fenster wurde herunter gedreht. Ein gutmütiges Gesicht beugte sich hinaus und fragte besorgt: „Das ist wohl nicht das richtige Wetter zum Spazierengehen, Madame. Wollen Sie nicht einsteigen! Ich bringe Sie gern an Ihr Ziel. Kostet auch nichts... die Fahrt mache ich für Sie umsonst."
Dem Taxichauffeur tat die einsame, durchnäßte Frau leid, deren Gesicht ihm verriet, daß sie Furchtbares hinter sich hatte. Wie aus tiefem Schlaf emporgeschreckt, schwankte Betty Fleming auf den Wagen zu, blickte den Fahrer forschend an und sagte dann mit tonloser Stimme: „Es ist sehr lieb von Ihnen, daß Sie mich mitnehmen wollen . . . Bitte fahren Sie mich zur Cowlerstreet."
„Cowlerstreet!" echote der Mann, startete sofort und jagte in schnellem Tempo los.
*
Der Wächter war ein energischer Mann. Noch einmal beugte er sich über die verkrampft zusammengesunkene Gestalt des Juweliers. Wie von einem Keulenschlag getroffen, fuhr er
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