Kommissar Pascha
geschlachteten Federvieh durch die Gegend. Er musste sich zusammenreißen. Nur keinen Wutausbruch jetzt. Er brauchte den Mann mit dem blutenden Huhn. Nicht er persönlich natürlich, sondern der politische Wille. Nun gut, dachte er und sah auf die Uhr.
Demirbilek war dankbar, dass ihm Kollegin Vierkant die Tüte abnahm und mit einem freundlichen Nicken zu Weniger in das Gebäude verschwand.
»Herr Weniger?«, grüßte Zeki Demirbilek.
»Wie gehen die Ermittlungen bei Ihrem ersten Fall voran, Herr Demirbilek?«, erwiderte der Kommissariatsleiter.
»Wir stehen ja erst am Anfang. Wir wissen, dass der Mann eines unnatürlichen Todes gestorben ist. Wir wissen von seiner Frau, dass er – obwohl arbeitslos gemeldet – einer Beschäftigung nachging. Die Obduktionsergebnisse stehen noch aus, aber es gibt eine erste Spur. Sie führt zum Sultans Harem. Soll ein Wellnessparadies sein, ist aber wohl eher ein Bordell. Kennen Sie das vielleicht?«
»Nein, kenne ich nicht. Morgen früh um zehn Uhr ist die Pressekonferenz. Ich brauche Eckdaten zum Fall. Ein paar biographische Angaben über den Toten.«
»Vierkant kümmert sich darum.«
»Soll ich das Bordell erwähnen?«
»Das halten wir zurück.«
»Gut. Was muss ich noch wissen für die PK ?«
Demirbilek erzählte von seinem Besuch beim Imam, bat aber darum, die Spur nicht zu erwähnen.
»In Ordnung, Sie leiten die Ermittlungen … Weshalb ich Sie sprechen wollte … Es sind zwei Beschwerden eingegangen. Eine ältere Dame behauptet, dass Sie ihr die Handtasche gestohlen haben, und Kollege Bremser hat sich schriftlich darüber beschwert, dass Sie ihn bestechen wollten.«
Der Kommissariatsleiter wartete auf eine Stellungnahme. Demirbilek dachte nicht daran, sich zu den absurden Vorwürfen zu äußern.
»Ich war mir sicher, dass an den Anschuldigungen nichts dran ist«, zwinkerte Weniger kurz und wurde wieder ernst. »Erlauben Sie mir eine private Anmerkung?«
»Sie wollen mir sagen, dass der tote Türke unser Schicksal ist?«, meinte Demirbilek, ohne darüber nachgedacht zu haben.
Wenigers Reaktion zeigte, dass er mit seiner Vermutung recht hatte. »Wie kommen Sie darauf?«, fragte er schließlich verblüfft.
»Wir haben endlich den perfekten Fall, wie geschaffen für das neue Sonderdezernat, für das Sie sich stark gemacht haben«, erklärte Demirbilek.
Weniger nickte zustimmend, immer noch etwas irritiert. »Sie haben recht. Lösen Sie den Fall. Sonst haben Sie ein Problem.«
»Sie meinen
wir.
«
»Ja, natürlich … Ich meine
wir
«, korrigierte sich Weniger, dem sein Versprecher nicht aufgefallen war.
»Dann ist ja alles bestens … Das deutsche
Schicksal
klingt aber viel zu hart. Lassen Sie uns den Türken im Eisbach doch als Fügung sehen. Kismet klingt geschmeidiger«, bemerkte Demirbilek.
»Meinetwegen. Dann eben Kismet. Halten Sie mich auf dem Laufenden«, sagte Weniger abschließend. Er nickte zum Abschied und stieg mit seinem Aktenkoffer zu Wagner in den Streifenwagen.
Zeki sah ihm hinterher. Weniger war ein gewiefter Fuchs, sonst wäre er nicht dort, wo er in der Hierarchie hingehörte. Über ihm.
»Haben Sie im Lotto gewonnen, Herr Demirbilek? Sie sehen so entspannt aus«, fragte Vierkant ihn, als er mit einem versonnenen Lächeln in das Büro trat.
»Leider nicht. Aber das Gespräch mit Weniger war ganz interessant.«
»Ja?«
»Wenn wir unseren ersten Fall nicht lösen, ist es mit diesem Sonderdezernat hier wieder ganz schnell vorbei«, erklärte er sachlich.
Vierkant erschrak bei dem Gedanken, dass ihr erster Fall als Ermittlerin möglicherweise gleichzeitig ihr letzter sein könnte. Sie gab sich einen Ruck und kam mit einer ausgedruckten Seite in der Hand vom Schreibtisch zu Demirbilek und überreichte ihm das Papier.
»Dann sollten wir schnellstens unseren ersten Mörder fassen. Das hier wird Sie interessieren«, sagte sie betont gelassen.
Demirbilek las das Papier aufmerksam. »Wer hat das herausgefunden?«
»Jale. War aber nicht so schwer. Eine einfache Auskunft im Handelsregister.«
»Bülent Karaboncuk ist einer der Geschäftsführer des Sultans Harem?«, fragte er überrascht.
»Schon merkwürdig, oder? Seine Frau hat gesagt, dass er dort putzt.«
Demirbilek gab ihr das Papier zurück.
»Die Familie erwartet den älteren Bruder morgen. Er war eine Woche lang in der Türkei. Wollen Sie ihn trotzdem verhören?«, fragte Vierkant.
Demirbilek dachte relativ lange nach. »Aus Istanbul?«
»Woher sonst?«, fragte Vierkant
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