Kommissar Pascha
eine Millisekunde zu schnell.
»Die Türkei ist sechs mal so groß wie Deutschland, Vierkant. Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind!«
»Entschuldigen Sie, ja natürlich«, gab Vierkant verlegen zurück. »Aber es stimmt, laut Auskunft der Witwe fliegt er von Istanbul nach München. Ankunftszeit zwölf Uhr fünfunddreißig.«
»Gut. Sie holen ihn ab und bringen ihn zum Verhör. Ich möchte mit ihm sprechen, bevor er seine Familienangehörigen trifft.«
Geduldig wartete er, bis Vierkant eine Notiz in ein ledergebundenes, teuer wirkendes Büchlein machte.
»Wo ist Cengiz überhaupt?«, fragte er dann.
Vierkant zögerte mit der Antwort.
»Was ist?«
»Ein Makler hat angerufen. Sie schaut sich eine Wohnung an.«
Demirbilek kam seine große Wohnung, in der Platz genug wäre, in den Sinn, schob den Gedanken jedoch ganz schnell wieder beiseite.
»Na, dann wollen wir ihr die Daumen drücken.«
»Das kann nicht schaden«, bekräftigte Vierkant.
Demirbilek wollte zu seinem Schreibtisch, drehte sich aber auf halbem Weg um.
Als ahnte Vierkant, was er fragen wollte, holte sie aus: »Ich habe mal ein wenig nachgeforscht wegen des Ladens in der Landwehrstraße. Der Firmenwagen der Arbeiter stand ja vor dem Geschäft. Der Dönerladen wird komplett renoviert. In zwei Wochen kommt ein türkischer Architekt.«
»Aus Istanbul?«, fragte Demirbilek nach.
»Ja, genau«, bestätigte Vierkant schmunzelnd.
»Haben Sie eine Ahnung, von wem der Auftrag kommt?«, hakte Demirbilek interessiert nach. Er überlegte, Vierkant für ihre unaufgeforderte Ermittlungsarbeit zu loben. Tat es aber dann doch nicht.
Stolz darauf, auch daran gedacht zu haben, studierte Vierkant die Aufzeichnungen in ihrem Notizbuch. »Der Auftrag kam von einem Istanbuler Architekturbüro …« Dann begann sie mit aller Mühe, die Namen abzulesen. Dabei wollte sie nichts falsch machen und haspelte sich Silbe für Silbe durch, setzte zweimal neu an, bis Demirbilek ihr das Büchlein aus der Hand nahm und ihre Notiz überflog.
»Können Sie Ihre eigene Schrift nicht lesen? Tuncer Kulmac – Mimarlık ve Mühendislik … ist doch ganz einfach«, bemerkte er lapidar und steckte die Seite aus dem Notizbuch in seine Jackentasche, wozu es nötig war, sie vorher aus dem ledergebundenen Büchlein herauszureißen.
Vierkants Gesicht verzog sich verärgert. Sie eroberte sich ihr Notizbuch zurück und steckte es in ihre Umhängetasche.
Demirbilek bemerkte ihre Verärgerung nicht. Sein Blick war aus dem Fenster gerichtet, er formulierte mehr für sich laut den Gedanken, der ihn beschäftigte. »Serdal kann kein Istanbuler Architekturbüro bezahlen.«
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17
D er hochgewachsene Mann trat in seinen Garten hinaus. Mit zugekniffenen Augen blinzelte er in die Abendsonne und streckte seine ungewöhnlich langen Arme in den Himmel. Er betrachtete die malerische Meerenge und das Treiben auf dem Bosporus direkt vor seiner kleinen Holzvilla, genoss mit schläfrigem Gähnen die wundervolle Aussicht, bis er an eines seiner Sorgenkinder denken musste. Eine seiner schönsten Rosenstöcke, eine Double Delight, machte ihm seit einiger Zeit Kopfzerbrechen. Trotz gewissenhafter Vorkehrungen hatte er den Schädling nicht in den Griff bekommen. Mit bekümmerter Miene schlenderte er zu dem Rosenbeet und begutachtete die hässlichen Flecken auf den weiß umrandeten, blutroten Blütenblättern.
Während er nachdachte, ob er das Schädlingsmittel wechseln sollte, läutete das Telefon. Er ging zum Tisch neben der Liege und nahm ab. Er hatte den Anruf seines Auftraggebers Furat Firinci erwartet. Der Geschäftsmann instruierte ihn klar und deutlich, was er von ihm als Dienstleister erwartete. Genaue Zielvorgaben. Bei diesem Auftrag ging es um eine Frau, die er aus den türkischen Gazetten kannte. Ein wildes, ungezähmtes Fohlen fiel ihm bei Gül Güzeloğlu ein. Er, der sich den ehrfurchtgebietenden Spitznamen
Alman,
der Deutsche, redlich verdient hatte, sollte sicherstellen, dass sie nicht mehr in den Schlagzeilen der Boulevardblätter auftauchte. Er sollte klären, ob es Geheimnisse gab, die nach der geplanten Heirat mit Uğur Firinci Unannehmlichkeiten verursachen könnten. Sollte das der Fall sein, hatte er alle Freiheiten, dafür zu sorgen, dass diese Geheimnisse nicht an die Öffentlichkeit dringen konnten.
»Wie weit kann ich gehen?«, fragte der Deutsche am Ende des Telefonats.
»Das überlasse ich Ihnen … wie immer«, antwortete Firinci und legte auf.
Wie immer,
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