Kommissar Pascha
Stuhl drapiert. Die schwarzgetönten Haare unterstrichen den traurigen Ausdruck um ihre dunklen Augen. Sie hob den Blick, als der Kommissar in die Kantine kam.
Demirbilek wunderte sich, dass sie allein am Tisch saß. Dann entdeckte er Cengiz beim Kaffeeautomaten. Es war kurz vor drei. In der Kantine war nicht mehr viel Betrieb.
Die Unternehmertochter gab dem Kommissar im Sitzen die Hand. Demirbilek drückte sie. Sie war kalt. Ungewöhnlich kalt. Er bemerkte, dass sie keinen Schmuck trug. Am Steuer des Cayennes hatten mindestens vier Ringe an ihren Fingern gefunkelt. Außerdem hatte sie da blonde Haare, erinnerte sich Demirbilek.
Cengiz setzte sich mit drei Bechern Tee neben ihren Chef. Gül nahm den Becher und wärmte ihre kalten Hände.
»Mein Vater ist letzte Nacht verstorben. Ich war nicht bei ihm, als er von uns gegangen ist.«
Sie begann zu weinen. Demirbilek und Cengiz ließen ihr Zeit. Demirbilek reichte ihr sein letztes frisches Taschentuch. Sie nahm es dankbar an und wischte die Tränen aus den Augen.
»Mein Beileid, Frau Güzeloğlu«, sagte Demirbilek. Cengiz kondolierte auf Türkisch.
»Ich bin gegen vier Uhr morgens nach Hause gekommen. Eine Stunde vorher ist er gestorben.«
»Das tut mir leid«, erwiderte Demirbilek.
Gül richtete sich auf und machte ein entschlossenes Gesicht. »Ich brauche Ihre Hilfe,
Komiser Bey.
Mein Vater ist ermordet worden.«
Cengiz sah verwundert zu Demirbilek, der keine Reaktion zeigte, sondern das undurchdringliche Gesicht der unnahbaren Frau studierte.
»Sie haben jemanden in Verdacht?«, fragte er endlich.
Gül Güzeloğlu stand abrupt auf. »Ich muss eine rauchen«, sagte sie, schob den Stuhl nach hinten und steuerte zum Ausgang.
Cengiz wollte ihr nachgehen, doch Demirbilek hielt sie zurück.
»Klär die Todesursache ab und warum wir nichts davon wissen, dass sie um vier Uhr heimgekommen ist. Hatten wir vor dem Haus niemanden stehen? Nennt sich das Fahndung? Was ist das für eine Schlamperei!«, schimpfte er mit unterdrückter Stimme.
Cengiz nahm hastig im Stehen einen Schluck aus dem Becher und eilte aus der Kantine. Demirbilek beobachtete, wie die Frau in Schwarz die halbgerauchte Zigarette auf den Boden warf und mit dem rechten Schuh ausdrückte. Er stand höflich auf und wartete, bis sie sich wieder gesetzt hatte. Die Entschlossenheit in ihrem Gesicht war stärker geworden.
»Florian Krust ist die rechte Hand meines Vaters in allen geschäftlichen Angelegenheiten.«
»Das weiß ich bereits. Und?«, kommentierte der Kommissar.
»Krust hat am Abend vor seinem Tod mit ihm gestritten. Es ging um die Zukunft von Döner Delüks. Er wollte meinem Vater ausreden, mich mit dem Sohn eines Geschäftspartners aus Istanbul zu verheiraten.«
»Und was ist mit Ihnen?«, hakte Demirbilek nach.
»Was meinen Sie?«
»Wollen Sie den Sohn des Geschäftspartners heiraten?«
Gül Güzeloğlu lachte kurz auf. Die Traurigkeit in ihren Augen war für einen Moment wie weggewischt.
»Er ist nett. Ich habe ihn auf einer Silvesterfeier letztes Jahr in Kairo kennengelernt«, wich sie der unerwarteten Frage aus.
Demirbilek wartete, bis sie sich genötigt fühlte, sich weiter zu erklären.
»Mein verstorbener Vater hat das, was in Deutschland als Emanzipation durchgeht, nie ernst genommen. Geschäfte machen Männer. Am besten verheiratete Männer, die Väter von Söhnen sind. Mich hat er in unser Unternehmen nicht eingewiesen. Bei den Eröffnungen der neuen Läden durfte ich brav neben ihm stehen und die Familie repräsentieren. Das war alles, was ich mit unserer Firma zu tun hatte. Ich treibe mich herum und gebe Geld aus, das haben Sie sicher schon herausgefunden. Ich bin ein Mädchen, wissen Sie … Florian Krust hat sich um alles gekümmert. Für ein königliches Salär. Natürlich wollte er darauf nicht verzichten.«
»Wieso sollte er ihn dann töten?«
»Um meinem Vater zuvorzukommen. Er wollte Krust nach dem Streit feuern«, erklärte sie nüchtern.
»Haben Sie Beweise? Können Sie mir sagen, wie er Ihren Vater getötet hat?«, fragte Demirbilek bedächtig.
»Nein. Ich weiß es einfach. Nehmen Sie ihn fest. Verhören Sie ihn. Er wird gestehen.«
Demirbilek blieb ruhig und benetzte seine Lippen mit dem, was der Automat an Scheußlichkeit ausgespuckt hatte.
»Wo waren Sie, nachdem Sie Ihren Wagen am Hauptbahnhof abgestellt haben?«
»Darüber möchte ich nicht sprechen, Herr Kommissar.«
»Das wird nicht gehen, Frau …«
»Bitte ersparen Sie mir die
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