Kommissar Pascha
bekam, in eine Kneipe zu gehen. Er musste nachdenken. Sein Auftrag hatte sich geändert. Aus der Beobachtung einer Heiratskandidatin wurde nach dem plötzlichen Tod vom alten Süleyman Güzeloğlu ein zweifacher Mordauftrag. Ein kurzer Anruf seines Auftraggebers Firinci aus Istanbul, plötzlich musste es schnell gehen. Er verlangte wegen der Änderung der Geschäftsgrundlage die doppelte Bezahlung in bar. Und zwar in Dollars, denn der Euro war aus seiner Sicht in ein paar Jahren Geschichte. Auf die übliche Anzahlung der Hälfte verzichtete er unter den besonderen Umständen. Er nannte seinem Auftraggeber eine islamische Gemeinde in der Nähe des Hotels, wo die Gesamtsumme in einer Geldtasche deponiert sein musste. Als er in die Baaderstraße abbog, schweiften seine Gedanken zurück zum Nachmittag. Es war einfach zu verlockend gewesen, beide Zielpersonen auf einen Streich zu erwischen. Zwei gezielte Schüsse, Auftrag abgewickelt. Abzudrücken, schimpfte er sich selbst, während der türkische Polizist die eine Zielperson befragte, war natürlich nicht optimal. Zwar war für ihn der Schuss als geübter Schütze nicht sonderlich schwierig. Es blieb nur keine Zeit für den zweiten Schuss, analysierte er. Dass der Polizist so schnell reagieren würde, hatte er nicht erwartet. In der Regel suchten Polizisten erst einmal Deckung und liefen nicht wie Hundertmetersprinter auf den Schützen los. Auf der Flucht hatte er dann auch noch nebenbei verhindert, dass die arme Gül sich das Leben nahm. Die Vorstellung über die schlechten Schlagzeilen ließ ihn schaudern.
Als überzeugter Anhänger davon, einfache Aufgaben sofort zu erledigen, war er bei nüchterner Betrachtung zufrieden mit seiner Arbeit. Eine Teilaufgabe war abgehakt, das kam einem guten Tagewerk gleich. Dafür hast du dir ein Bier verdient, beschloss er und betrat eine Kneipe in der Baaderstraße. Er fand einen freien Platz direkt am Eingang und dachte über einen neuen Plan nach, wie er die zweite Zielperson zur Strecke bringen konnte. Sollte der Polizist ihm erneut in die Quere kommen, würde es kein Pardon mehr geben, sagte er sich und bestellte ein kleines Bier vom Fass.
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45
Ö zlem war auf die Idee mit dem bayerischen Japaner gekommen. Alle vier Demirbileks hatten riesigen Hunger und brachen von der Isar auf nach Haidhausen. Als der Kommissar mit seiner Familie das kleine Restaurant betrat, wurde gerade ein Tisch frei. Sie bestellten eine riesige Platte Sushi und naturtrübes Weißbier für alle. Beim Essen schwärmte Aydin von seinem Leben als Musiker in Istanbul. In dem hippen Stadtteil Beyoğlu teilte er sich seit zwei Jahren eine Wohnung mit einer Theaterschauspielerin. Aber da sei nichts zwischen ihnen, beruhigte er seinen Vater, er müsse sich keine Sorge machen, Großvater zu werden. Selma kicherte über Demirbileks verdattertes Gesicht.
»Ich bin nicht mal vierzig!«, sagte Zeki gespielt böse. Glücklich darüber, mit seiner Familie zusammen zu sein, trank er sein Bier aus und bestellte ein neues. »Lass dir bitte Zeit, wenn es irgendwie geht.« Er wandte sich an Selma, die Özlems Hand fest in ihrer hielt. »Was meinst du? Sind wir zu jung Eltern geworden?«
»Nein«, antwortete Selma und strich sich die langen schwarzen Haare aus dem Gesicht. Eine Geste, die Zeki, seit sie zwölf war, kannte und liebte. »Ich habe dich damals gewarnt, erinnerst du dich?«
»Du hast mich gewarnt?«, entgegnete er amüsiert.
Sofort drängten Özlem und Aydin ihre Eltern, mehr zu erzählen. Doch Selma und Zeki schmetterten alle Versuche ab, sie blieben eisern, denn die Geschichte ihrer Zeugung kannte niemand außer ihnen.
Zeki hatte lange nicht mehr an jenen Abend gedacht. Sie waren damals knapp ein Jahr verheiratet. Selma hatte eine Assistenzstelle an der Münchner Uni bekommen, er selbst verdiente sich die ersten Sporen im Mordkommissariat. Selma musste an dem Sommerabend zu einem Vortrag über Miniaturmalerei in der islamischen Kunst ins Deutsche Museum. Weder Selma noch er hatten Interesse, sich bei dem anschließenden Empfang die Füße in den Bauch zu stehen. Zeki erinnerte sich nicht mehr, wer von ihnen die Idee hatte, ins Müllersche Volksbad zu gehen. Sie liehen sich Tücher und verbrachten zwei entspannte Stunden in der Sauna. Beim zweiten Gang fanden sie das irisch-römische Dampfbad leer vor. Um Selmas Mund bildeten sich feine Fältchen, als sie seine Hand nahm. Bevor er ihr einen Kuss gab, hauchte sie ihm ins Ohr, dass er aufpassen müsse.
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