Kommissar Pascha
Zeki bezog das auf mögliche Saunagäste, die in das Dampfbad kommen konnten. Selma meinte aber etwas anderes.
Mit einem Lächeln auf den Lippen schüttelte er die Erinnerung ab und wandte sich an seinen Sohn. Er sei ihm eine Antwort schuldig, meinte er, auch wenn es im Prinzip nicht wichtig war, warum er nach München gekommen sei.
»Jetzt komm, sag es ihm doch endlich, Aydin«, forderte Özlem ihren Bruder auf. »Was glaubst du, wie schwer es mir gefallen ist, das Geheimnis für mich zu behalten!«
Auch Selma nickte ihrem Sohn aufmunternd zu.
»Baba«,
begann Aydin nervös, »wir hatten keine so gute Zeit miteinander, das wissen wir beide. Mir ist es egal, was oder wer daran Schuld hat. Ich möchte gerne, dass wir uns wieder verstehen. Nicht nur für einen Abend wie diesen.« Er schluckte, sah zu Özlem und Selma, dann wieder zu seinem Vater. »Ehrlich gesagt war es Mamas Idee … Ich habe mich an der Münchner Musikakademie für ein Auslandsstudium beworben.«
»Und? Bist du genommen worden?«, fragte Demirbilek gespannt nach. »Wenn nicht, ich kenne …«
»Du wirst es ein Jahr mit mir aushalten müssen«, legte Aydin schnell nach.
Die Freude seines Vaters war überwältigend. Er sprang vom Stuhl auf, umarmte ihn über den Tisch und klopfte mit der flachen Hand mehrmals auf seinen Rücken.
Selma und Özlem beobachteten gerührt die Innigkeit der beiden. Nach einem Moment jedoch erkannte Özlem in den Augen ihrer Mutter Besorgnis. Sie drückte sanft ihre Hand. Sie fühlte, wie schwer es ihrer Mutter fiel, ihren Sohn in die Obhut seines Vaters zu übergeben.
Es war kurz nach elf, als Zeki die Wohnungstür aufsperrte. Alle vier waren leicht angetrunken und in fröhlicher Stimmung. Aydin und Selma kannten die Wohnung nicht und lobten die schlichte, geschmackvolle Einrichtung.
»Das ist nicht deine Handschrift, Zeki«, stellte Selma mit einer Spur Eifersucht fest. »Özlem hat erzählt, dass du dich scheiden lässt?«
Zeki war dankbar, nicht sofort antworten zu müssen, denn Kollegin Cengiz betätigte genau in dem Moment die Toilettenspülung. Er hatte vor lauter Wiedersehensfreude nicht daran gedacht, Aydin und Selma von seiner Untermieterin zu erzählen. Achselzuckend blickte er zu Özlem, die zu grinsen begann, weil Cengiz halbnackt in Slip und kurzem Unterhemd aus dem Badezimmer trat.
Schlaftrunken beäugte die junge Polizistin ihren Chef und die drei anderen Personen im Flur, kombinierte durch das Wissen, das sie sich beim Kaffeetrinken mit der Kollegin vom zentralen Materiallager angeeignet hatte, dass es sich um die beiden Kinder des Chefs und seine Frau handeln musste. Da sie nicht wie eine »Frederike« wirkte, eher wie eine vornehme Istanbulerin, ging Cengiz davon aus, dass es sich um Demirbileks erste Ehefrau handelte.
»Hoş geldiniz«,
hieß sie die Familie willkommen. »Der
Komiser Bey
war so freundlich, mich bei sich aufzunehmen. In München eine Wohnung zu finden ist nicht gerade leicht … Ich bin Jale, die Neue in seiner Abteilung, frisch aus Berlin.« Forsch und ohne Scham ging sie auf die vier zu und schüttelte jedem förmlich die Hand. Bei Aydin verharrte sie etwas länger, denn er schien ihre Hand nicht mehr loslassen zu wollen.
»Was ist?«, fragte sie mit verwegenem Blick. »Noch nie eine Polizistin in Unterhosen gesehen?« Und zu Demirbilek gewandt: »Die Berichte liegen auf dem Küchentisch, Chef, ich dachte, vielleicht wollen Sie morgen früh auf dem Weg zur Arbeit mal reinlesen. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht,
iyi geceler.
«
Als Cengiz im Zimmer verschwunden war, schauten sich alle vier entgeistert an, als sei eben ein Derwisch in Frauengestalt durch den Flur gewirbelt.
»
Baba,
was war das? Eine Halluzination?«, fragte Aydin mit einem übertrieben verklärten Gesichtsausdruck.
»Ganz und gar nicht, mein Sohn«, seufzte Demirbilek. »Das ist unsere Mitbewohnerin für die nächsten Tage.«
Cengiz stand später nochmals auf, an Schlaf war wegen des lauten Lachens, das aus der Küche drang, nicht zu denken. Aydin ließ es sich nicht nehmen, Cengiz auf den Stuhl neben sich zu plazieren, um ausgiebig mit ihr zu reden. Özlem verabschiedete sich bald. Aydin und Cengiz nutzten die Gelegenheit und verzogen sich in ihr Zimmer. Die beiden hatten auf Anhieb ihr Thema gefunden. Sie unterhielten sich und lachten viel über das abwechslungsreiche Dasein von Abkömmlingen türkischer Einwanderer. Um zwei Uhr morgens schleppte Aydin den Futon, der nach wie vor in
Weitere Kostenlose Bücher