Kommissar Pascha
Aufnahmen entweder Gül allein zu sehen oder zusammen mit dem jungen Mann, der in diesem Moment ein Foto von der vollgehängten Wand machte. Sie konnte deutlich den verkümmerten kleinen Finger erkennen und spannte jede Faser ihres Körpers an. Du hast Mörder Nummer zwei gefasst, jubilierte sie innerlich.
Sie überlegte, was sie tun sollte. Ohne ihr Smartphone konnte sie keine Hilfe holen, also inspizierte sie den Raum genauer und vergewisserte sich, dass der Mann alleine war und keine Waffe trug. Dann bewegte sie sich katzengleich in Richtung Eingangstür und riss sie auf.
»Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus. Ich bin Polizistin. Ich nehme Sie hiermit wegen des Verdachts, Metin Burak ermordet zu haben, fest«, sagte sie mit lauter Stimme und lächelte zufrieden, als der junge Mann mit erhobenen Händen auf sie zukam.
»Teşekkür ederim«,
bedankte sich Gül Güzeloğlu auf Türkisch für das Taschentuch, das Demirbilek ihr reichte.
Nachdem sie sich die Nase geputzt hatte, holte sie Luft und sagte: »Das ist Ahmet Buraks Hand.«
»Metin Buraks Sohn?«, fragte Demirbilek verblüfft nach.
»Ja, Metins unehelicher Sohn.«
»Ist er der Mann, den Sie lieben?«, fragte Demirbilek.
»Das kann ich nicht sagen«, antwortete Gül ehrlich. »Wir kennen uns seit drei Jahren. Wir sind Freunde. Vielleicht ein bisschen mehr. Sein Vater wusste nichts davon, meiner natürlich auch nicht.«
»Wo ist Ahmet?«, fragte Demirbilek ruhig.
»Es war ein Unfall. Ahmet wollte seinen Vater nicht töten. Das müssen Sie mir glauben«, verteidigte Gül ihn.
»Haben Sie deshalb versucht, sich umzubringen? Weil sie Ahmet lieben?«
Gül schwieg und wischte das Gesicht mit Demirbileks Taschentuch sauber.
»Sagen Sie mir bitte, wo Ahmet ist. Wir müssen mit ihm sprechen.«
»Sie werden ihn festnehmen, oder?«
»Wenn es ein Unfall war, werden wir das herausfinden. Machen Sie sich keine Sorgen.«
Genauso kalt, wie sie kurz zuvor darüber sprach, dass sich Metin um die beiden Erpresser »gekümmert« habe, antwortete sie: »Er wartet im Haus auf mich. Mein Gepäck ist noch dort. Er wollte mir unbedingt was zeigen, bevor sich unsere Wege trennen.«
Sie verrät ihn, schoss es Demirbilek durch den Kopf, man verrät niemanden, den man liebt.
Vierkant war sofort aufgesprungen, um Herkamer und Stern, die vor dem Krankenhaus auf Posten standen, zu den Güzeloğlus zu schicken. Sie konnte die beiden jedoch nicht entdecken. Da Jale ihr Handy vergessen hatte, rief sie bei Maria Buchner im Büro an, um nachzufragen, wer ihr zum Haus gefolgt war. Maria schwor, nicht gehört zu haben, dass sie Cengiz jemanden nachschicken sollte. Vierkant atmete schwer und fiel Demirbilek ins Wort. »Wir müssen zu Jale! Sie ist allein im Haus.«
Demirbilek unterbrach sofort das Verhör und spurtete mit Vierkant zum Dienstwagen.
Sobald sie gegangen waren, wollte Gül ihren Freund Ahmet warnen. Sie hatte einhundertfünfundneunzig Taschen, doch im Moment keine einzige mit einem ihrer vielen Handys bei sich.
Demirbilek und Vierkant fuhren mit Blaulicht. Trotz Sorge und Flüche über Cengiz’ unüberlegtes Handeln betete der Kommissar zu Allah, dass ihr nichts passiert sein möge. Vierkant versuchte, Leipold zu erreichen, als Demirbilek die letzte Kurve nahm und rasant in die Straße zu den Güzeloğlus einbog.
Als sie aus dem Wagen stiegen, hörten sie einen Schuss fallen.
Cengiz blickte in Ahmet Buraks dunkle Augen. Er stand mit erhobenen Händen vor dem Eingang der Souterrainwohnung. Plötzlich bemerkte sie ein Zucken in seinem Gesicht. Er schien in ihrem Rücken etwas entdeckt zu haben, das ihn ängstigte. Gleichzeitig hörte sie hinter sich das dumpfe Auftreten schwerer Stiefel. In der Spiegelung des Fensters tauchte schemenhaft die Gestalt eines Mannes auf. Zu ihrem Entsetzen erkannte Cengiz die Stiefel wieder, mit denen sie in den Bauch getreten worden war. Sie wog ab. Vor ihr stand der unbewaffnete Mörder Nummer zwei, hinter ihr der Mann mit den schweren Stiefeln, der Mörder Nummer drei sein konnte. Der mit den Stiefeln, so hatte Demirbilek vermutet, könnte ein professioneller Killer sein. Jedenfalls ein Schütze, der sein Ziel aus weiter Entfernung traf. Aus diesem Grund entschied sich Cengiz, dass die wirkliche Gefahr in ihrem Rücken lauerte. Sie ließ sich zu Boden fallen und drehte sich gleichzeitig mit der Pistole in beiden Händen um, damit sie die Möglichkeit hatte, auf den Mann hinter sich schießen zu können.
Der
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