Kommissar Steen 01 - Unruhe
Donnerstag auf Freitag gemacht haben? Das wusste nur eine Handvoll Menschen, und unter denen ist nur einer, der einen Kuhhandel mit Dorte Neergaard von TV 2 eingegangen ist, um an die Helikopteraufnahmen vom Friedhof zu kommen. Und zwar du.«
Woher zum Teufel wusste er das?
»Ich habe nichts durchsickern lassen. Ich habe niemandem erzählt, dass der eine in Untersuchungshaft war. Oder dass er mit der Frau seines Vorgesetzten gebumst hat. Dass sie ihre Arbeit nicht getan haben, kann ja jeder auf der Aufnahme sehen.«
»Du kannst sicher sein, dass ich das untersuchen werde, und wenn du irgendwas damit zu tun hast, ist die Schonzeit für dich vorbei.«
Axel war alleine. Niemand stand ihm zur Seite. Jemand hatte Dorte Neergaard alle schlüpfrigen Details geliefert und ihm damit den Dolchstoß versetzt. Alle würden davon ausgehen, dass er die Quelle war.
»Ich will einen mündlichen Bericht, und zwar heute noch. Und dann hoffe ich bloß, ihr seid mit Lindberg auf der richtigen Spur.«
Rosenkvist verschwand die Straße hinunter, gefolgt von Corneliussen. Die ersten Übertragungswagen waren eingetroffen.
»Da steht aber einer ganz schön unter Druck, was Steen?« sagte Kettler feixend.
Wütend fuhr Axel ihn an.
Henriette Nielsen trat dazwischen.
»Jedenfalls haben Sie nicht sehr viele Freunde«, sagte sie, aber ohne den Hochmut und die Schadenfreude, die Kettler ihn spüren ließ.
»Aber dafür hat er eine Freund in bei diesen Geiern da hinten«, sagte Kettler und deutete mit dem Kopf hinüber zu den Presseleuten. Dorte Neergaard stieg gerade aus einem Ü-Wagen.
Axel sah zu, wie Rosenkvist mit ausgebreiteten Armen auf die versammelten Journalisten zuging. Sein breites Lächeln flatterte ihnen entgegen. Altväterlich legte er einen Arm um Dorte Neergaard und zog sie ein Stück zur Seite. Axel kannte noch ein paar andere, Jakob Sonne war auch da und winkte ihm zu, aber er ignorierte ihn.
Er wandte sich an Darling und den Schweden, der gerade noch neben dem Toten gehockt hatte, jetzt aber aufstand.
»Genau wie eurem albanischen Freund wurde auch ihm hier beinahe der Kehlkopf zerquetscht, so sieht es jedenfalls aus, und so fühlt es sich von außen an. Aber er hat wesentlich mehr Verletzungen als Davidi, seht euch mal die Wangen an.«
Axel sah auf die dunkelblaue Haut.
»Es könnten Schläge mit der flachen Hand gewesen sein, viele Schläge. Keine Risse, aber sehr starke Hämatome. Er wurde von jemandem gequält, der es genossen hat. Ekelhaft. Ihr müsst diesen Schweinehund kriegen, bevor er noch mehr Schaden anrichtet.«
Martin Lindbergs Wohnung war ein Loft über einer alten Schreinerwerkstatt im Blytækkervej, etwas weiter den Frederiksssundsvej hinunter in Richtung Innenstadt. Axel wusste, dass die Leiche vom Tatort zu dem Grundstück transportiert worden war, jetzt galt es also, das Auto des Mörders zu finden. Vielleicht gehörte es Lindberg, falls er einen Wagen hatte. Die Gretchenfrage lautete, warum er die Leiche in unmittelbarer Nähe zu seiner Wohnung losgeworden war, falls er überhaupt etwas damit zu tun hatte.
Drei Techniker in weißen Strampelanzügen waren zugange, als sie hinauf in die Wohnung kamen, die man über eine Außentreppe aus Stahl erreichte.
Die Wohnung bestand aus einem großen Raum mit einer Einbauküche in einer Ecke und einer Treppe, die ins Bad führte. Ein großes Plakat mit einem roten Stoppschild und dem Text Stop Human Trafficking hing innen an der Tür, aber ansonsten war sie überraschend trendy eingerichtet, geräumig und stilvoll, abstrakte Kunst an den Wänden, Eames-Stühle, die um einen modernen Esstisch aus hellem Holz herum standen, ein Fensterfries mit kleinen viereckigen in Blei gefassten Scheiben dazwischen, vor dem Arne Jacobsens Ægget in zerschlissenem braunem Leder und ein kleiner Tisch daneben die einzigen Möbel darstellten.
Sie sahen sich um, und schnell wurde klar, das Piver hier sicher nicht umgebracht worden war. Dennoch hatten die Techniker die komplette Wohnung auf Fingerabdrücke untersucht und nahmen sich jetzt die Regale und den Inhalt der Schubladen und Schränke vor. Axel und Darling legten ebenfalls Hand an, und nach einer halben Stunde waren sie mit allem durch. Sie hatten nichts gefunden, das direkt mit dem Mord an Piver in Verbindung zu bringen war, aber sie hatten drei Kartons mit verschiedenen Dingen zusammengetragen: aus der Bibliothek ausgeliehene Bücher, die längst hätten zurückgegeben werden müssen, Handyrechnungen, eine
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