Kommissar Steen 01 - Unruhe
gegeben?«
»Nein. Das würde mir niemals einfallen.«
»Das ist gut, denn sonst wäre ich gezwungen, dich in unbezahlten Urlaub zu schicken. Ich ziehe dich als Chefermittler von dem Fall ab. Damit kommst du noch billig davon, es wird einen Eintrag in deine Personalakte geben. Aber ich vergesse das hier nicht, Steen. Ich habe Darling angewiesen, dir einige der anstehenden Aufgaben zu übergeben, Überwachung, Prüfung der Zeugenaussagen und der Angaben der Telefongesellschaften, aber von jetzt an unternimmst du nichts mehr auf eigene Faust. Und von Lindberg hältst du dich fern.«
Axel konnte nicht fassen, was gerade geschah.
»Warum ziehst du mich nicht einfach komplett von dem Fall ab?«
»Du bist loyal, nicht wahr? Obwohl du alles tust, was du kannst, um dir selbst im Weg zu stehen, hast du nur ein Ziel: den Fall aufzuklären, oder?«
»Ja, und?«
Rosenkvist sah ihn mit einem ironischen Lächeln an, ließ die Fingerspitzen den Tanz der Macht tanzen und sah aus, als treffe er gerade eine Entscheidung. Axel war sicher, dass er sich schon vor ihrer Unterredung entschieden hatte.
»In diesem Fall gibt es viele Interessen, und es sind Dinge im Gang, über die ich – trotz meiner vielen Jahre beim PET – nichts weiß. Allein deshalb sitzt du nicht unten in der Verkehrsüberwachung.«
»Also soll ich die großen Jungs vom PET bei dir anschwärzen?«
»Sei nicht naiv. Ich habe dich längst durchschaut. Du tust, was du willst, aber nehmen wir mal an, sie verarschen uns, dann wärst du ja wohl noch schärfer darauf aus als ich, sie dranzukriegen. Und wer könnte dir dabei wohl helfen?« Er hob die Hand. »Das Gespräch ist beendet, Steen. Wir machen weiter mit Lindberg, und zwar unter Volldampf – ich werde mich in dieser Geschichte den Fragen der Presse stellen müssen, und zwar bald. Es ist schon auffallend, dass wir es mit einem Mord zu tun haben, den jemand als Teil des Konflikts zwischen uns und den Autonomen zu tarnen versucht, und dass wir gleichzeitig einen Verdächtigen in Untersuchungshaft haben, der den Hass auf die Polizei zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat.«
Letzteres galt für eine ganze Reihe Menschen.
»Was, wenn er es nicht war?«
»Darüber musst du dir ja glücklicherweise nicht mehr den Kopf zerbrechen. Das ist nicht länger dein Problem.«
Draußen auf dem Flur war es still wie in einer Grabkammer, und Axel fühlte sich, als habe man ihn lebendig eingemauert. Vor dem Büro der Polizeichefin lag ein Päckchen Zigaretten auf einer Fensterbank. Er blieb stehen und nahm es in die Hand, zog eine Zigarette heraus und dachte nach,während er auf den sonderbaren Steinboden mit seinen großen grauweißen Intarsien blickte, die wie Verschleiß oder eine Überdosis Putzmittel aussahen. Der Mythos besagte, dass dem Architekten sein eigener Entwurf nicht gefallen und er volltrunken in der Kohlezeichnung herumgekritzelt habe, der man dann aber punktgenau gefolgt sei, als der Boden verlegt worden war.
»Ist der Termin für die Vorführung beim Haftrichter beantragt?«, rief Darling aus dem angrenzenden Büro, als Axel durch die Tür trat. Er beugte sich gerade über das Verhörprotokoll von Lindberg, neben ihm stand der Chefankläger. In ihren Blicken konnte Axel lesen, dass sie Bescheid wussten: Er war aufs Abstellgleis geschoben worden, und die Demütigung schmerzte. Hatte einer von diesen beiden Arschlöchern ihm den Dolch in den Rücken gestoßen?
»Würdest du das bitte erledigen? Wir können ihn nur noch vier Stunden hierbehalten.«
Einer der jüngeren Ermittler steckte den Kopf zur Tür herein.
»Für wann?«
»In drei Stunden. Jetzt brauchen wir ihn noch mal hier unten zum Verhör.«
Axel schaltete sich ein.
»Seid ihr sicher, dass ihr ihn auf der Grundlage einem Haftrichter vorführen wollt?« Er deutete auf den Ausdruck.
»Es sind neue Dinge aufgetaucht. Ich habe Sonne vernommen. Er bleibt dabei, Lindberg habe nach Piver gefragt – das bestärkt den Verdacht. Ich bin sicher, dass wir ihn schon knacken werden.«
Axel schüttelte den Kopf und ging wieder in sein Büro. Was zum Henker sollte er jetzt tun? War er es, der sich hier verrannte? Konnte Lindberg tatsächlich der Mörder sein? Es war schon vorgekommen, dass er zweihundertprozentig von der Unschuld eines Mörders überzeugt gewesen war und hinterher, nachdem der endgültige Beweis erbracht war, praktischjedes Wort, das er in den Besprechungen von sich gegeben hatte, wieder zurücknehmen musste. Aber trotzdem:
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