Kommissar Steen 01 - Unruhe
durchgehen, erst den Ton, dann die Kameras, wenn irgendetwas Interessantes gesagt wird. Wir können sie nicht rund um die Uhr überwachen, aber in der jetzigen Phase ist immer jemand in der Wohnung, der die anderen alarmieren kann, wenn etwas passiert oder wir etwas über eine Lieferung hören.«
»Und das sind Sie?«
»Heute Nacht, ja.«
»Ich dachte, es gäbe Fußvolk für so was.«
»Haben wir auch, Axel Steen, aber ich halte es für wichtig, zu allen Bereichen einer Ermittlung Kontakt zu halten. Wenn man sich erst einmal zu schade für die Knochenarbeit ist, verliert man das Gespür dafür, was auf der Straße vor sich geht. Und ist es erst einmal so weit, geht’s bergab mit einem.«
Er sah ihr an, dass sie bereute, was sie gerade gesagt hatte, doch war das kein Grund für ihn, sich zurückzuhalten.
»Das klingt nicht nur wie eine Beschreibung eurer dilettantischen Undercover-Operation mit Davidi, sondern auch nach einer Persönlichkeitscharakteristik Ihres Partners.«
Sie wandte den Blick ab.
»Er ist ein wenig speziell.«
»Er ist ein Hornochse, zur falschen Zeit am falschen Ort, der ganz anderes im Visier hat, als den Fall aufzuklären.«
»Ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht immer, was ich von ihm halten soll. Manchmal schießt er einfach übers Ziel hinaus.«
»Wer trifft die Entscheidungen?«
»Er. Aber nur so lange, bis er zu viele Fehler gemacht hat. Er ist sehr ehrgeizig. Und er ist durch und durch schwarz.«
»Wie das?«
»Klassische Bullen-Paranoia, die ihresgleichen sucht. Einwanderer, Schwule, Linke, Drogenhändler, Windkraftanlagenbauer, Islamisten – die ganze Palette mit Abu Laban und Frank Aaen an der Spitze.«
»Windkraftanlagenbauer?«
»Ja, alternative Energie. Was sollen wir damit, wo wir doch Atomkraft und Öl haben?«
»Und Sie, leiden Sie an derselben Paranoia?«
Sie lachte laut.
»Ich? Dann müsste ich mir selbst gegenüber paranoid sein. Ich bin im Jugendzentrum groß geworden.«
Axel dachte darüber nach, und etwas fügte sich zusammen.
»Manchmal sind die Bekehrten die Schlimmsten.«
»Ich gehöre aber nicht zu den Bekehrten. Ich habe überhaupt nichts gegen das JuZe. Ich habe nur einfach meinen Platz im Leben gefunden, meinen Job, das, worin ich gut bin. Ich kann keinen Widerspruch darin sehen, dass ich dort vier Jahre meiner Jugend verbracht habe.«
»Nein, aber es gibt bestimmt genug Leute, die das anders sehen. Haben Sie deswegen nie Probleme bekommen?«
»Nein, warum auch? Ich halte den Ball flach. Sie sind der Einzige, der weiß, dass ich in Wirklichkeit eine rabiate lesbische Feministin bin.«
Axel lachte. Sollte das jetzt ein Joke sein?
»Und was denken Sie, wenn Sie sehen, dass das Jugendzentrum abgerissen wird?«
Sie sah ihn an, als habe er eine vollkommen hirnverbrannte Frage gestellt.
»Ich habe zum Glück genug andere Dinge, an die ich denken muss.«
50
Es war fast zwölf, als er zu seinem Auto zurückkam. Nachdem er sich hinters Steuer geklemmt hatte, rief er Laila Hansen an, aber sie ging nicht ans Telefon. Statt nach Hause fuhr er zum Bunker, auf dem Weg durch den Säulengang begegnete ihm Darling.
»Für heute sind wir fertig mit Lindberg. Er bestreitet nach wie vor alles. Behauptet, er habe keine Ahnung gehabt, dass das Opfer und David ein und dieselbe Person sind, weil im Zusammenhang mit dem Mord ja immer nur von einem Enver Davidi die Rede gewesen sei, und dass er nichts von dem Wagen weiß. Sein Anwalt sagt, sie seien dabei, Aufnahmen und Fotos der Unruhen zusammenzustellen, die beweisen sollen, dass er auf der Straße war, als die Morde begangen wurden, aber bis jetzt haben wir davon noch nichts zu Gesicht bekommen. Sonne hat zu seiner Begegnung mit Davidi in Makedonien ausgesagt. Dabei ist nichts Neues herausgekommen, er hat ihn seitdem nicht mehr gesehen.«
Er sah Axel kalt an.
»Deine Freundin sitzt immer noch da oben.«
Axel ging hinauf ins Dezernat, betrat sein Büro und öffnete die Tür zum Raum nebenan, sodass er dem Verhör von Laila Hansen drei Zimmer weiter folgen konnte.
»Ihr könnt gerne meinen Sohn fragen. Ich habe das Haus in dieser Nacht nicht verlassen.«
Ihre Stimme war klar.
»Gibt es außer einem elfjährigen Kind noch jemanden, der bestätigen kann, dass Sie zu Hause waren, als ihr Exmann ermordet wurde?«
Unter dem Vorwand, er müsse einige Unterlagen holen, ging er in das Verhörzimmer und grüßte. Sie saß auf der einen Seite eines kleinen Tischs, der Platz für vier Personen bot, der Kollege,
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