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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
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Krach geschlagen. Aber er hatte mich spüren lassen, dass er am längeren Hebel saß: indem er mich noch länger warten ließ.
    Entrüstet war ich zum nächstmöglichen Zug gerannt – und verpasste ihn um drei Minuten. Dieser ICE war, anders als in den anderen 99 Prozent der Fälle Freitagabend in Hamburg, pünktlich gestartet. Und so hatte ich mir, im Lautsprechergedröhn und Bremsengequietsche, neben den Eisenträgern voller Taubenkacke, matschiges, scharfes Asia-Fastfood reingewürgt, stehend auf dem Bahnsteig natürlich, denn es gab nach wie vor keine Bänke zum Sitzen für die Hunderte von Pendlern.
    Der nächste war ein Ersatzzug. Er kam eine halbe Stunde später, als der Fahrplan versprach, in Berlin an. Ich war zu meinem dunklen, unsicheren, aber legalen Parkplatz gelaufen, mit Sodbrennen von der Asia-Pampe in der Kehle und der Erschöpfung der letzten Tage in den Gliedern. Der Rollkoffer ratterte.
    Ich wollte in mein Auto umsteigen; es wären nur noch fünfzig Minuten bis zum Wiedersehen mit Paul gewesen. Er hatte sicher den Kaminofen schon geheizt. Und davor würde ich vielleicht noch etwas mit ihm sitzen und plaudern und dazu einen Schoppen Roten trinken, von diesem samtigen „Malbec“.
    Aber, was war das? Oh, nein! Nein, nein, nein! Bitte nicht! Eine Straßenlaterne beleuchtete fahl orange den linken Vorderreifen meines Toyota. Platt. Platt! Jemand hatte mir den Reifen zerstochen; der Schnitt war deutlich zu sehen. Und alles brach über mich herein. Hier kauerte ich und konnte nicht anders: Ich heulte wie ein verlassenes Kind.
    Milla hat das Gefühl von uns verfrorenen, übermüdeten, heimatlosen Pendlern einmal mit den Worten umschrieben: „Da denkt man einfach nur noch: Keiner liebt mich.“ War das nicht paradox? Da reisten wir viel beschäftigten Frauen über dreißig, gut ausgebildet, gestanden und gefragt, hin und her und her und hin, um unseren Liebhaber und Freund zu treffen – und hatten gleichzeitig das Gefühl, von der Welt und dem Leben ausgespien worden zu sein, furchtbar allein zu sein, vergessen und verstoßen.
    Es versteht sich von selbst, dass mein Handy alle war. Im Ersatzzug hatte es nämlich keine Steckdosen gegeben.
    Abgesehen davon ging der Abend der Erniedrigungen weiter. Vor dem Bahnhof standen circa zwanzig Taxis. Nach dem elften hörte ich die Fahrer auf zu fragen, ob sie mir helfen könnten, den Reifen zu wechseln, gegen Geld natürlich.Keiner sah sich in der Lage. Währenddessen stieg kein einziger Fahrgast in ihre Karossen, denn es kamen keine Fernzüge mehr an.
    Berlin hat durchaus seine Kehrseiten, eine davon sind seine Taxifahrer. Sie sind wahre Rotzlöffel.
    Ich taperte zurück zu meinem ramponierten Auto, kramte in meinem Rollkoffer und tauschte meine Absatzschuhe gegen meine „Asics“ aus. Ich lief zur 600 Meter entfernten Tankstelle. Ein junger Angestellter erbarmte sich meiner und tauschte das Rad. Das Ersatzrad zwang mich, nur achtzig zu fahren. Gegen ein Uhr nachts, der Sonnabend war angebrochen, kam ich im Dorf an. Paul schlief schon, im Ofen züngelte ein Feuer in seinen letzten Zuckungen.
    Auf dem Weg aufs Land hatte ich die Gute-Nacht-Musik auf „Radio Eins“ gehört und hätte Zeit gehabt, meine Wut zu kanalisieren. Und zu überlegen. Ich dachte aber nicht viel, ich dachte nur Sachen wie: Das tue ich mir nicht mehr lange an! Das habe ich nicht mehr nötig! Ich verkaufe hier nicht nur meine Arbeitskraft, ich verkaufe auch mein Leben! Es ist entwürdigend! Es reicht! Plus-Minus stimmen nicht mehr! Zu viel Minus! Viel zu viel Minus!
    Darüber wurde ich leider noch wütender.
    Wie konnte das denn sein? Während feiste Hanseaten kurz vorm Vorruhestand ihre bürostuhlgeschwächten Hintern gemütlich in Kantinen schleppen und dafür mehr Geld kriegen als du, rennst und rast du quer durch die Republik zu Zügen, Mietautos, Interviews, Tatorten und Informanten, schreibst Nächte durch, den Rückenschmerz ignorierend? Während sich verkokste „Moderatorinnen“ genannte Journalisten-Darstellerinnen in geliehenen Designer-Roben ausgeruht neben deinen Chefs auf den fetten Empfängen der Verlage tummeln, musst du praktizierende Journalistin nachts Reifen wechseln, um ein paar rare gemeinsame Stunden mitdeinem Lebensmenschen zu erhaschen? Während deine Vorgesetzten ihre Kinder Montagmorgen entspannt mit Küsschen in die Schule verabschieden (um sie von ihren nichtarbeitenden Gattinnen nachmittags abholen zu lassen), sitzt du scheintot im Schnellzug und ärgerst

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