"Kommst du Freitag"
überzeugt waren und nicht immer ehrlich. Es waren also, dem ersten Anschein nach, ganz gewöhnliche Hauptstadtjournalisten.
Das letzte Jahr meines wunderbaren Fernbeziehungslebens war angebrochen. Aber das wusste ich nicht – und sowieso nicht, dass unsere Liebe auf Achse damit trotzdem noch lange nicht vorbei sein würde.
Großes planen, zum Beispiel: eine Hochzeit
Es war am Ende eine zauberhafte Feier. Sagten Freunde. Manche schwärmen heute noch. Aber bis es so weit war? Du meine Güte. Kurz vor dem Tag am Standesamt waren Paul und ich im Grunde geschiedene Leute. Stunden- oder tageweise vielleicht nur, aber dann: von ganzem Herzen.
Wenn zwei sehr impulsive, anspruchsvolle, ungelassene und voll berufstätige Menschen mit einem Minimum an Freizeit heiraten wollen, ohne die Organisation irgendwelchen Hotels, Restaurants oder Partydiensten zu überlassen, und wenn diese beiden Menschen dabei nicht mal in einer Stadt leben, kann so eine geplante Hochzeit der angestrebten Ehe kreuzgefährlich werden. Am Ende der Vorbereitungen standen wir kurz davor, gleichzeitig mit unserem Antrag auf Eheschließung den Antrag auf Scheidung einzureichen. Das mag vielleicht formal nicht gehen, es fühlte sich aber so an, als wäre genau das folgerichtig gewesen.
Die Planung und physisch wie psychisch anstrengende Vorbereitung der genau richtigen Feier nach genau unseren Vorstellungen hätte uns beinahe genau den geliebten Menschen gekostet, dem wir uns gerade mittels einer sehr deutschen Urkunde versichern wollten. Dabei waren Paul und ich jetzt seit geschlagenen zwölf Jahren ein Paar. Wir waren zusammen endgültig erwachsen geworden, wir hatten zusammen Drachen getötet und Witwen geköpft und miteinander so viele Schulden auf unserem Haus liegen, wie zehn Scheidungsanwälte nicht kosten würden.
Nach dem schwer romantischen Antrag mit Ring, Tränen und allem Pipapo an jenem samtigen Septemberabend standam Anfang zunächst die Frage im Raum, wie wir denn heiraten würden. Ich wollte zwar durchaus gern zur Frau genommen werden (meinen Hang zur kleinbürgerlichen Konvention hatte ich schon eingestanden). Aber was ich mir vor allem darunter vorstellte, war: eine fette, feiste, flirrende Party, um uns zu feiern. Ein Fest auf unser Glück, auf unser Plus im vielen Minus dieser Welt, auf die Liebe. Alle sollten sie kommen, alle! Es sollte fein gespeist werden, und es sollten rumpelige Reden gehalten werden, es sollte gealbert und gelabert und getrunken und getanzt werden, bis zum Umfallen. Ich wollte rücklings irgendeiner Freundin meinen Brautstrauß an die Rübe schmeißen und morgens um drei berauscht in einem mittlerweile angedreckten weißen Kleid auf dem Tisch tanzen.
Meine zeitweilige Anwandlung, um des gesellschaftlichen Status’ wegen geehelicht zu werden, um also endlich „mein Mann“ sagen zu können und „den Ring“ an der Hand zu haben, hatte sich wieder verflüchtigt. Dafür war eine Hochzeit dann doch zu ernst, als dass es nur darum gehen konnte, mit den daraus folgenden Äußerlichkeiten piefige Chefs zu beeindrucken.
Für Paul dagegen war der Wunsch, mich zur Frau zu nehmen, ein reiner Liebesbeweis. Wie oft hatte er gesagt: „Ich brauche kein Amt, um mich meiner Liebe zu dir zu versichern. Mehr als ich mit dir zusammen bin, kann man nicht zusammen sein.“
Das war süß, nicht wahr? Übersetzt für unsere aktuelle Lage hieß das bloß leider: Er brauchte keine Feier, er brauchte keine hundert Gäste, kein fünf Gänge, keine Band, keinen DJ. Er brauchte vor allem nicht die entsetzliche Aufregung vor großen Partys, wie er sie stets empfand, wenn es seine eigenen waren. Er sagte: „Am liebsten wäre es mir, wir würden allein heiraten, ohne Spektakel, nur wir zwei, und dann fliegenwir direkt nach dem Standesamt in die Südsee und tauchen ab.“
Wir hatten offensichtlich ein Problem.
Nun war es nicht so, dass ich ein Geheimnis daraus gemacht hätte, was mir unter der Rubrik Hochzeit so konkret vorschwebte. Aber erst jetzt erfuhr ich von ihm, dass Paul mich nur darum nicht schon viel früher in unserem Leben beantragt hatte, weil er genau diese Vorstellungen beängstigend fand. Ich wusste eigentlich, er stand nicht gern im Mittelpunkt. Aber ich vergaß das immer gerne und leichtfertig, weil er es in Gesellschaften trotzdem so schnell tat. Wo Paul war, war ein intensiver Disput, eine große Alberei, ein Schlagabtausch, ein herzliches Gelächter. Man durfte ihn nur, um Gottes willen, nicht dazu auffordern!
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