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Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Titel: Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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Motelzimmer zurückkehrte, leuchtete immer noch kein Message-Lämpchen am Telefon. Der Fernseher lief wieder, und der Meteorologe sagte, Tun Sie sich mit Freunden zusammen, suchen Sie höher liegendes Gelände auf, als verkündete er das Evangelium. Lächelnd fuhr er fort: Und jetzt kommen wir zum Mittwoch, durch die Wochentage, über die Landkarte Amerikas und in die strahlende Zukunft marschierend.
    Samson sank ohnmächtig ins Bett. Als er wieder aufwachte, dröhnte ihm der Kopf. Ihm war schlecht. Er überdachte die Ereignisse der letzten Nacht und versuchte herauszufinden, was genau passiert war. Seine hellbraune Windjacke lag zerknautscht am Boden, und er langte in die Tasche. Da waren die Objektträger. Er hielt sie ins Licht. Dann brachte er sie nahe vor die Augen und sah durch jeden der Halbmonde mit dem wandernden Stern hindurch. Wie ist das passiert?, fragte er sich. Es war der einfachste, der fundamentalste Gedanke, und er dachte ihn, jetzt auf und ab laufend, noch einmal. Wie ist das alles passiert? Ihm ging auf, dass er über Luke kaum etwas wusste, im Grunde nur, dass sein Vater ein nie in Burma gewesener Anwalt und in den Augen des Jungen, der noch keine Ahnung hatte, auf welche Weise das sein Leben prägen würde, ein Arschloch war. Er wusste nicht einmal Lukes Nachnamen. Und das war erst der Anfang von alledem, was er nicht wusste, die bloß flüchtig gestreifte Oberfläche seiner großen Ignoranz.
    Er verfolgte die Prognosen, die minütlich aktualisiert wurden, sodass man nicht einmal dem blauesten Himmel trauen konnte, wenn das Wetterteam, gerüstet mit fotografischen Beweisen, Regen vorhersagte. In den meisten Fällen war das Wetter wirklich so egal. Ein Thema, das immer nur aufkam, wenn es nichts mehr zu sagen gab, und darum war es schwer zu glauben, der beständige Informationsfluss sei nicht mit einer bedeutsameren Botschaft unterlegt. Gekrümmt auf dem ungemachten Bett, dachte Samson über die Möglichkeit nach, die aktuellen Durchsagen der Meteorologen könnten kodierte Geheiminformationen sein. Von Süden zieht Feuchtigkeit heran , sagte der Wettermann. Aber wer versuchte hier eigentlich wen zu erreichen? Oder waren dies vielleicht gar keine Signale zwischen Menschen, sondern etwas viel Größeres, Zeichen aus einer kosmischen Quelle, von einer Macht der Güte, deren auserwählter Bote, ein Satellit, geräuschlos gleitend Wache über den Planeten hielt und nur eine einzige Botschaft sendete, die, wenn man sie denn herausbekäme, hieße: ALLESGUTALLESGUTALLESGUT ?
    Als das Telefon klingelte, erstarrte er. Einen Augenblick fragte er sich, ob es Ray sei. Am Vortag hatte er Geld abgehoben und festgestellt, dass die von Ray versprochene Summe auf seinem Konto eingegangen war. Samson fühlte sich beschämt, als hätte er sich kaufen lassen. Es steigerte auch seine Paranoia, in allen Bewegungen verfolgt zu werden. Aber plötzlich wurde ihm klar, der Anrufer konnte nicht Ray sein. Der Doktor hatte kein Interesse mehr an ihm. Ray wollte Gläubige, und Samson war desertiert.
    Es konnte nur Donald sein. Er stürzte durchs Zimmer, stieß fast das Telefon vom Nachttisch.
    «Hallo?»
    «Reg dich ab.»
    «Donald? Bist du’s? Was zum Teufel …»
    «Eins sag ich dir, mach das nicht noch mal. Wie das klingt, was du da aufs Band sprichst, da denkt man ja, du wirst mit ’ner Waffe bedroht. Gegen deinen Willen, Sammy, und als kriegest du dabei die Fingernägel einzeln ausgerissen. Fast hätte mich der Schlag getroffen.»
    «Warum rufst du erst jetzt zurück?»
    «Glaubst du, ich höre meine Nachrichten jede Sekunde ab? Ich hab Sachen zu tun. Außerdem, warum hab ich eine Mailbox? Begrenzte Erreichbarkeit. Wenn ich vierundzwanzig Stunden am Tag erreichbar sein wollte, hätt ich mir ein Handy zugelegt. Würde mit dem Ding am Hals herumlaufen, mich zu Tode verstrahlen bei all den Leuten, die mich sprechen wollen. Wo bist du?»
    «Im Four Palms Motel.»
    «In was?»
    «Im Four Palms.»
    «Nie was von gehört.»
    Samson sah sich im Zimmer um. Das Wenige, was er an Kleidungsstücken hatte, lag auf dem Boden verstreut. Die Laken waren unter der Matratze herausgerissen wie nach einem Kampf. Das Mädchen hatte sein Zimmer die ganze Woche nicht gemacht.
    «Es ist nicht das Flamingo, aber ganz in Ordnung. Hör zu …»
    «Völlig bekloppt. Ich musste das Telefon ’n halben Meter weg halten.» Donald hustete in den Hörer. «Was ist das im Hintergrund? Hast du Leute da?»
    «Das ist das Wetter.»
    «Was hörst du dir

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