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kommt wie gerufen

kommt wie gerufen

Titel: kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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einer Personenbeschreibung jenes Mannes wäre, der zwei Tage lang de Gamez’ Laden geführt hatte. Er war klein, spanischer Herkunft, hatte schütteres, schwarzes Haar, war glattrasiert, elegant gekleidet, trug eine Brille und ließ beim Lächeln im linken Unterkiefer einen Goldzahn sehen. Niemand aus der Nachbarschaft hatte ihn früher je gesehen.
    Die Beschreibung stimmte Carstairs nachdenklich.
    »Erkennen Sie ihn?« fragte Bishop.
    »Ich kann nur hoffen, daß ich mich irre. Geben Sie mir die Akte 6X.« Sobald Carstairs die Mappe vor sich liegen hatte, betrachtete er stirnrunzelnd zwei Fotos des gleichen Mannes. Eines war eine Vergrößerung und zeigte ihn inmitten einer Menge an der Seite Mao Tsetungs, und das andere war ein ausgezeichneter Schnappschuß, der heimlich in Kuba aufgenommen worden war. »Geben Sie das über Fernschreiber nach Mexico-City durch und lassen Sie die Bilder drüben identifizieren. Denken Sie sich die Brille fort«, sagte er und hielt Bishop ein Bild entgegen, »wen haben Sie dann vor sich?«
    Bishop stieß einen Pfiff aus. »Du lieber Himmel!«
    Carstairs nickte. »Unseren hochbegabten, skrupellosen, alten Freund General Perdido, den sich Mao für seine Operationen in Südamerika ausgesucht hat. Jenen Mann, dem es zu verdanken ist, daß Castro heute stärker an Rotchina als an der Sowjetunion engagiert ist.« Jetzt wußte er, daß Tirpak entdeckt worden war. Er fühlte es förmlich in den Knochen. »Uns bleibt nur eine einzige schwache Hoffnung«, sagte er schließlich. »General Perdido war vorige Woche doch in Kuba, nicht wahr?«
    Bishop blätterte einen Stoß von Berichten durch. »Wurde am 15. August dort gesehen.«
    Nachdenklich sagte Carstairs: »Vielleicht hat er einen von ihnen nach Kuba mitgenommen – Johnny oder Tirpak oder Mrs. Pollifax. General Perdido hatte immer schon eine Schwäche für hübsche Trophäen. Ich werde Personenbeschreibungen an die Agenten in Kuba funken.«
    Die Tür schloß sich hinter Bishop, und Carstairs zündete sich eine Zigarette an. Er war erleichtert, für einige Augenblicke allein zu sein. Tirpak… de Gamez… Johnny. Äußerlich unbewegt gedachte er der vielen Jahre, die de Gamez und Johnny damit verbracht hatten, mit größter Umsicht in Mexico-City jenen Ruf zu erwerben, den sie als Tarnung für ihre eigentliche Tätigkeit benötigten. Sie waren gut gewesen, ausgezeichnet. Und über Nacht war die Arbeit vieler Jahre einfach fortgewischt.
    Aber in diesem Spiel mußte man mit derartigen Zwischenfällen rechnen, und Carstairs war imstande, sich mit einem Tiefschlag abzufinden.
    Mrs. Pollifax war es, die sein Gewissen belastete. Er hatte den erteilten Auftrag falsch beurteilt. Mrs. Pollifax war ihm wie gerufen gekommen und daraus hatte er bedenkenlos Kapital geschlagen. Wer konnte in ihr etwas anderes als eine Touristin vermuten? Er hatte ihr den einfachsten Routineauftrag gegeben, den man sich nur denken konnte, und nichts weiter als Genauigkeit von ihr verlangt. Trotzdem blieb die Tatsache bestehen, daß sie für mögliche Notfälle überhaupt nicht vorbereitet oder geschult war.
    Man hatte ihr nicht einmal eine Zyankalikapsel mitgegeben. Sie war nicht welterfahren, und schon gar nicht in der Welt General Perdidos, und wenn er auch nicht ungalant sein wollte, war sie eben doch eine alte Dame, die weder die Zähigkeit, noch die Nerven hatte, diesem skrupellosen Burschen zu trotzen. Er hatte leichtfertig ein unschuldiges, vertrauensseliges Lamm in die Löwenhöhle geschickt, und die Löwen würden dieses Lamm in Sekundenschnelle zerreißen.
    Gott stehe ihr bei, dachte Carstairs.

 
    7
    »Ob sie wohl versuchen werden, uns einer Gehirnwäsche zu unterziehen?« fragte Mrs. Pollifax munter. »Wissen Sie etwas über Gehirnwäsche, Mr. Farrell?«
    »Mm – nein«, antwortete Farrell taktvoll.
    »Könnte sehr spannend sein.« Sie dachte an den Test mit dem Lügendetektor, dem sie in Washington unterzogen worden war, und überlegte, ob zwischen diesem Test und einer Gehirnwäsche wohl Parallelen bestünden. Heutzutage ging es im Leben wirklich hochwissenschaftlich zu. Sie sah Farrell an, weil es sonst nichts anzusehen gab. Sie war nun schon seit einer Stunde hellwach, und es war noch immer Nacht, und sie flogen nach wie vor, und nachdem sie die Sitze und den Boden des Flugzeugs untersucht hatte, waren sämtliche Möglichkeiten erschöpft. Einen Vorteil zumindest hatte der Flug: Ihre Handgelenke waren nicht mehr gefesselt. Dafür staken beide Fußgelenke

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