Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
kommt wie gerufen

kommt wie gerufen

Titel: kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
Vom Netzwerk:
in einem mittelalterlich aussehenden Ring, von dem eine Kette zu einer Verankerung im Sitz führte. Die Kette war nicht unbequem, aber sie erweckte in Mrs. Pollifax den hartnäckigen Wunsch, die Beine zu überschlagen, weil sie genau das jetzt nicht konnte.
    »Geht es Ihnen wieder besser?« fragte sie Farrell teilnahmsvoll.
    Sie hatte zumindest eine halbe Stunde früher als er die Augen aufgeschlagen.
    »Sie haben mir meine Frage nicht beantwortet«, sagte er unvermittelt.
    »Über den Buchladen, den Sie aufgesucht haben.«
    »Das muß ich überhört haben«, schwindelte Mrs. Pollifax glattzüngig.
    »Ich habe Sie gefragt, ob er El Papagayo geheißen hat.«
    »Ich fürchte, ich habe nicht auf den Namen geachtet. Ich tue das selten, wissen Sie? Es war ein unauffälliger, kleiner Laden. Sehr klein.«
    Farrells Augen funkelten belustigt auf. »Verstehe – ein sehr kleiner Laden. Und was geschah dort?«
    »Ich trat ein und habe ein Buch verlangt. Dieser Mann hat einen sehr liebenswürdigen Eindruck gemacht. Er hat mich zu einer Tasse Tee in sein Hinterzimmer eingeladen und gesagt, daß er eben beim Frühstück sei und am Morgen seinen Kunden oft ein Täßchen Tee anbiete. Und ich habe den Tee getrunken und dann ist mir sehr sonderbar geworden. Das nächste, was ich weiß, ist, daß ich in dieser schmutzigen kleinen Hütte Rücken an Rücken mit Ihnen gefesselt war.« Mrs. Pollifax entsann sich plötzlich, daß die beste Verteidigung der Angriff ist, und sagte: »Aber wie kommen Sie hierher?«
    Er zuckte die Schultern. »Ich bin auch in einen Buchladen gegangen.«
    »Dann sind Sie ein Tourist?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich lebe schon seit 1945 in Mexiko.« Er griff in seine Tasche, suchte und fluchte. »Bestimmt hatte ich eine Visitenkarte bei mir«, erklärte er. »Ich habe die Galeria de Artes in Mexico-City geleitet. Mein Name ist John Sebastian Farrell.«
    Erleichtert sagte Mrs. Pollifax: »Oh, und ich dachte schon, Sie seien Rauschgifthändler, oder – oder…«
    Er grinste. »Ich habe in meinem Leben ja schon manches Ding gedreht, und einige waren auch nicht ganz stubenrein, aber Rauschgifthändler – Ehrenwort – war ich noch nie.«
    Mrs. Pollifax entschuldigte sich sofort. »Ich habe immer ein behütetes Leben geführt«, erklärte sie ihm, »und Sie haben ein ziemlich – kurz – Sie sehen eben so aus, als hätten Sie schon manches Ding gedreht.«
    »Macht sich das schon bemerkbar? Na ja, mit einundvierzig läßt es sich wohl nicht länger verbergen. Jammerschade!« sagte er mit gespielter Verzweiflung.
    Darauf ging Mrs. Pollifax nicht ein. »Was für Dinger haben Sie denn gedreht?«
    »Herrje, interessiert Sie das vielleicht? Ich hoffe. Sie wollen kein Buch über Ihre Reiseerlebnisse schreiben«, grinste er.
    Sie überlegte ernsthaft und schüttelte den Kopf. »Nein, der Gedanke ist mir nicht gekommen, obwohl es mich sehr interessiert, Kuba kennenzulernen. Glauben Sie noch immer, daß man uns dorthin bringt?«
    Farrell antwortete gereizt: »Von Rechts wegen müßten wir längst gelandet sein. Dieser Flug dauert verteufelt lange. Verzeihung – hatten Sie etwas gefragt?«
    »Sie wollten mir erzählen, was für Dinger Sie gedreht haben.«
    Er grinste. »Trauen Sie mir zu, daß ich es riskieren würde, Ihnen eine unzensierte Beschreibung zu unterbreiten? Schließlich habe ich mich seit 1945, also seit meiner Entlassung von der Marine, in Mexiko herumgetrieben, und das ist hübsch lange. Ich habe in Acapulco ein Charterschiff besessen, bis ich es beim Pokern verloren habe, dann habe ich Töchtern aus gutem Hause Malunterricht erteilt. Sie werden es mir vielleicht nicht glauben, aber zeitweise bewege ich mich in den feinsten Kreisen.«
    »Genauso wie in den ordinärsten?« fragte Mrs. Pollifax und hoffte, er würde sie nicht enttäuschen.
    »Stimmt. Ein Jahr lange habe ich Waffen geschmuggelt, ehe Castro seine Revolution gewonnen hat. Ein ziemlich guter Bekannter von mir, wenn ich ihn auch in letzter Zeit nicht mehr gesehen habe«, setzte er grinsend hinzu. »Und dann darf ich in aller Bescheidenheit bemerken, daß mir ständig die Frauen zu Füßen liegen. Ich habe nun mal diese Wirkung auf sie.«
    Das konnte Mrs. Pollifax nicht auf ihren Geschlechtsgenossinnen sitzen lassen. Mit unschuldiger Miene fragte sie: »So wie auf diese Chinesin, mit der Sie heute abend verabredet waren?«
    Farrell sah sie einen Augenblick groß an und sagte dann: »Herzogin – ich hoffe. Sie haben nichts dagegen, daß ich Sie so

Weitere Kostenlose Bücher