kommt wie gerufen
die Schritte der Wache. Farrell trat seine Zigarette auf dem Fußboden aus. »Nehmen Sie den Rest«, sagte er und gab ihr das flachgedrückte Päckchen. »Man kann nie wissen, wer sich bestechen läßt.«
»Danke«, sagte Mrs. Pollifax und stand auf. Als die Tür sich öffnete, schüttelte sie Farrell ernst die Hand.
Diesmal waren die beiden Wachen schwer bewaffnet. Auch Major Vassovic war erschienen, um Farrells Überführung zu überwachen.
»Es ist mir ein großes Vergnügen, Major«, sagte Farrell im Gehen.
»Gott schütze Sie«, flüsterte Mrs. Pollifax und starrte ihm nach.
Major Vassovic hüstelte gezwungen. »Der – Befehl ist jetzt hier. Ein Aspirin, das Sie vor mir einnehmen müssen. Kommen Sie.«
Da erst bemerkte Mrs. Pollifax, daß sich ihre Kopfschmerzen wieder mit doppelter Stärke eingestellt hatten. Bescheiden folgte sie dem Mann ins Wachzimmer und wartete geduldig, bis er ihr ein Glas Wasser und die Tablette brachte. Während sie die Pille in den Mund steckte, fiel ihr Blick auf die Waffensammlung an der Wand. Es waren verschiedene Schußwaffen und Messer, die kunstvoll mit Silber eingelegt waren. Diese Kunstwerke hätten in ein Museum gehört, und das hielt sie dem Major auch vor.
»Die langen Gewehre heißen Puschkas«, sagte er mürrisch. »Und die Säbel nennen wir bei uns Jataghans.«
Es gab auch eine Reihe unverzierter und ungemein tödlich aussehender Pistolen und Revolver, aber sie beachtete sie nicht, sondern betrachtete interessiert die drei Schubladen, die im Sockel des Gewehrschrankes untergebracht waren. An einer dieser Laden steckte deutlich und unmißverständlich ein kleiner Messingschlüssel.
Sie vermochte ihren Blick nicht davon loszureißen. »Ich bewundere einen Messingschlüssel«, sagte sie sich vor. »Ich bin in Albanien, und Farrell wird in Kürze sterben, und ich darf nicht daran denken.« Sie hatte nicht lange Zeit. Ihre Konzentration wurde von rauhem Gebrüll unterbrochen, das vor dem Gebäude ertönte, und dann hörte sie Schüsse. Sorgsam stellte Mrs. Pollifax das Wasserglas auf den Schreibtisch des Majors und war froh, daß ihre Hand nicht zitterte. »Ich darf nicht hinsehen«, befahl sie sich. »Ich will nicht hinsehen. Er hatte keine andere Wahl.«
Beim Knall der Schüsse begann Major Vassovic haltlos zu fluchen.
Nach einem Blick aus dem Fenster sagte er: »Zurück, zurück«, und stieß Mrs. Pollifax unsanft durch den Flur in die Zelle und schlug die Tür hinter ihr zu. Nach der einen lauten Salve herrschte tiefe Stille im Gebäude. Mrs. Pollifax ließ sich auf Farrells Pritsche nieder und sagte leise: »Ich habe nicht hingesehen.« Sie kramte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch und putzte sich wütend die Nase. Dann mischte sie entschlossen ihre Karten und begann ein neues Spiel.
Mrs. Pollifax hatte mehrere Minuten gespielt. Die Stille lag wie ein Leichentuch über ihrer Zelle – Farrells Leichentuch, dachte sie bitter –, da wurde sie langsam von einem leisen Geräusch abgelenkt, das aus der Wand hinter ihr drang. Sie wandte den Kopf, um besser zu hören. Es war kein metallischer Klang, sondern erinnerte eher an eine geballte Faust, die rhythmisch gegen die Steinmauer hämmerte.
Mrs. Pollifax mußte an die zweite Eisentür im Flur denken und zog die Stirn kraus. Sie kniete auf Farrells Pritsche nieder und klopfte mit beiden Händen zurück. Sofort hörte das Geräusch auf.
Schon nahm Mrs. Pollifax an, es müßte jemand an einem Wasserrohr gearbeitet haben, als die Faust ein erregtes Stakkato pochte.
Vielleicht war ihrem Nachbarn eingefallen, daß zwischen ihm und Major Vassovic eine andere Zelle lag, und nach dem ersten Zögern reagierte er erfreut auf ihr Klopfzeichen.
»Jawohl, erfreut«, wiederholte Mrs. Pollifax entschieden und überlegte, daß sie jetzt wie im Film mit ihrem Nachbarn atemberaubende Morsemeldungen austauschen würde. Leider aber handelte es sich um keinen Film, und Mrs. Pollifax beherrschte das Morsesystem nicht. Sie klopfte nochmals und bekam Antwort, aber die Verständigung war genauso dürftig wie mit einem Neugeborenen oder mit jemand, der nur Suaheli sprach. Nach der ersten Begrüßung war nicht mehr viel zu erhoffen. Außerdem kreisten ihre Gedanken um Farrell, und sie kehrte traurig zu ihrem Patiencespiel zurück.
Ihr war, als wäre eine Ewigkeit verstrichen, als sich das Gebäude wieder mit Geräuschen füllte. Stiefel knallten auf den Fußboden, und Mrs. Pollifax hörte Major Vassovic gereizte Befehle erteilen.
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