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kommt wie gerufen

kommt wie gerufen

Titel: kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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allen Stämmen befreundet. Ein sehr guter Mann.«
    »Stämme?« sagte Mrs. Pollifax.
    Er nickte. »Sie wissen nichts über unser Land?«
    »Leider gar nichts«, gab sie zu.
    »Das schönste Land auf der ganzen Welt«, sagte er mit Überzeugung. »Hier die Felsen und die hohen Berge, unten die Ebenen, das Tal, die Flüsse. Und, ach, das Meer!« setzte er sehnsüchtig hinzu. »Dieser Mann, dieser Mr. Allistair, hat uns das Buch geschenkt, das er über mein Land geschrieben hat. Er hat es auch geliebt.« Er drückte die Zigarette aus und steckte den Stummel fürsorglich in seine Hemdtasche. »Ihr Freund bewegt sich. Ich bringe ein Aspirin.«
    Er stand auf, öffnete die Tür zum Flur und blieb abwartend stehen.
    Mrs. Pollifax begriff, daß er auf sie wartete. Überrascht folgte sie ihm aus der Zelle. Sein Vertrauen rührte sie. In der Wachstube angelangt, begann er die Schubladen des Schreibtisches zu öffnen und zu schließen, während Mrs. Pollifax neben ihm stand. Sie hörte sein befriedigtes Gemurmel, als er eine Flasche fand, in der Schnaps zu sein schien. Während er sich der nächsten Lade zuwandte, begann Mrs. Pollifax’ Blick zu wandern und blieb wie gebannt am Gewehrschrank hinter dem Schreibtisch hängen.
    Der kleine Messingschlüssel zur Lade steckte noch immer im Schloß.
    Was wird wohl in der Lade eines Waffenschranks aufbewahrt? fragte sie sich.
    »Wenn es Munition wäre, würden sie bestimmt nicht so leichtsinnig sein, den Schlüssel stecken zu lassen.« Angenommen aber, die Lade enthielt wirklich Munition? Dann konnte man den Schlüssel entwenden, verstecken und darauf hoffen, ein anderes Mal wiederzukommen und die Lade auszuräumen. Vielleicht ließ sich auch eine Pistole aus dem Schrank stehlen – Sie betrachtete Lulasch, dessen hagerer Rücken sich noch immer über die unterste Lade beugte. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, trat sie einige Schritte zurück, bis sie die Kante des Schrankes zwischen ihren Schulterblättern spürte. Ungeschickt zerrte sie an der Lade und fühlte, daß sie nachgab. Lulasch stand noch immer gebückt und sie wandte sich rasch um und sah nach. Sie hatte richtig vermutet. In der Lade lagen Patronen und Einsteckmagazine ausgepackt und griffbereit. Sie schob die Lade zu und schloß die Finger um den Schlüssel. Und dann zauderte sie.
    »Ich kann nicht«, dachte sie beklommen. »Ich kann das einfach nicht. Lulasch würde zur Rechenschaft gezogen werden. Es wäre nicht anständig. Man würde ihn für den Verlust verantwortlich machen, und bestrafen, und er hat eben Farrells Bein geschient, und jetzt will er ihm Schnaps und ein Aspirin bringen.«
    »Ich bin als Spionin ein kompletter Versager«, stellte sie wütend fest. »Ich hätte mir vorher überlegen müssen, daß zu diesem Beruf Skrupellosigkeit und Brutalität gehören. Man will mich töten, und trotzdem bin ich unfähig, diesen Schlüssel oder auch nur eine Kugel zu stehlen, bloß, weil dieser Mann mir geholfen hat und für mich büßen müßte.«
    Lulasch hatte sich aufgerichtet und schwenkte ein Fläschchen mit weißen Pillen. Er lächelte ihr zu, und sie erwiderte sein Lächeln mechanisch, aber sie mußte ständig daran denken, daß sie versagt hatte. Lulasch fand einen Papierbecher, zapfte Wasser aus dem Behälter ab, und sie gingen in die Zelle zurück.
    »Was ist?« fragte Farrell schwach.
    »Dieser Herr hat Ihr Bein geschient«, erklärte sie ihm und tätschelte seinen Arm. »Wir haben Ihnen einen Schnaps zur Nervenberuhigung und ein Aspirin gegen das Fieber mitgebracht. Können Sie sich ein wenig aufrichten, wenn ich Sie stütze?«
    Farrell stemmte sich mühsam auf einen Ellbogen hoch.
    »Hoffentlich habe ich keine Staatsgeheimnisse verraten. Mir ist, als hätte ich wie ein Narr geplappert.«
    Sie lächelte schwach. »Wie ein Narr schon, aber nicht wie ein Freund Mr. Carstairs’.«
    »Gott sei Dank!« Er trank etwas Schnaps, schüttelte sich und bedankte sich mit einem Winken bei Lulasch. »Der Schnaps ist nicht übel. Noch?«
    »Jetzt ein Aspirin«, entschied sie streng und schob ihm eine Tablette auf die Zunge.
    »Wie sind die Aussichten?« fragte er mühsam und legte sich wieder hin.
    »Düster«, erwiderte Mrs. Pollifax trocken. »General Perdido war hier, um Sie zu begutachten. Er findet es unverzeihlich von Ihnen, daß Sie sich diese Verletzungen zugefügt haben, und war wütend.«
    Mit leiser Stimme, damit Lulasch sie nicht hören konnte, fügte sie hinzu: »Vielleicht wäre es am vernünftigsten, wenn

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