kommt wie gerufen
durch, fand ein paar Schnüre und brachte sie Farrell.
Nexdhet sagte: »Ich halte es wirklich für besser, daß Sie mich jetzt auch fesseln, ehe ich in Versuchung gerate, es mir anders zu überlegen, oder bevor General Perdido auftaucht. Ich bin überrascht, wie unruhig ich allmählich werde.«
»Offen gestanden, bin ich auch etwas nervös«, bekannte Farrell grinsend. »Daran ist die Herzogin schuld. Sie benimmt sich wie eine überaus charmante Amateurin. Das ist beunruhigend. Das ist beunruhigend. Legen Sie sich, Kumpel.«
Dankbar legte Nexdhet sich nieder und Farell begann, ihn an Major Vassvoc und Stefan zu binden. »Ich werde Sie knebeln, aber nicht bewußtlos schlagen. Sie müssen eben den Ohnmächtigen mimen«, erklärte ihm Farrell. »Sind Sie ein guter Schauspieler?«
»Nein, aber ich bin als ausgezeichneter Sigurimi-Mann bekannt.«
Farrell kicherte. »Na, hoffentlich bewahrt Sie das vor allen Folgen. Und, Nexdhet – vielen Dank.«
Der Oberst lächelte schwach. »Ersparen Sie mir nur die lästige Aufgabe, Sie zu erschießen, mehr verlange ich nicht.«
Farrell schob ihm den Knebel in den Mund und band ihn sorgfältig fest. Über die Schulter hinweg fragte er Mrs. Pollifax: »Wohin rennen Sie jetzt schon wieder?«
»Ich suche eine Beretta. Und es ist schon beinahe dunkel!« Damit verschwand Mrs. Pollifax wieder. Diesmal nahm sie ihre Handtasche mit, um das Wachzimmer auszuplündern. Dank der Schlüssel des Majors fand sie eine Beretta und eine zweite Nambu und wollte sicherheitshalber ihren Munitionsvorrat ergänzen, aber diesmal war das Schloß fest versperrt. »Ein Jammer«, murmelte sie und wandte sich wieder zum Flur.
Jetzt mußte sie etwas tun, was sie schon seit Tagen gequält hatte, nämlich ihre Neugier wegen des Zellennachbarn stillen, der an die Wand geklopft hatte. Auf Zehenspitzen schlich sie an ihrer eigenen Zelle vorbei und den Flur entlang. Sie war nicht überzeugt, daß Farrell diese Extratour gutheißen würde. Sie steckte den Schlüssel ein und öffnete die Tür zu einem dunklen, schrankartig kleinen Raum. Unsicher stand sie an der Schwelle und blinzelte ins Innere.
In der gegenüberliegenden Ecke raschelte es, und instinktiv erkannte Mrs. Pollifax, daß sich dort etwas bewegte. Plötzlich spie die Finsternis einen Umriß, einen Geist, einen grauen Dschinn in wallenden, grauen Gewändern aus, der sich unzählige Male vor ihr verneigte und eifrig mit melodischem Singsang auf sie einredete.
Mrs. Pollifax unterbrach ihn: »Nicht jetzt, bitte! Wir wollen versuchen zu flüchten. Flüchten«, sagte sie ihm. »Möchten Sie mit uns kommen?«
Er hörte auf zu sprechen und betrachtete sie mit größtem Interesse.
Für einen Asiaten war sein Gesicht erstaunlich lang und von einem geradezu europäischen Schnitt. Sein Mund war schmal und verzog sich in den Winkeln zu einem maskenhaft freundlichen Lächeln, seine Augen glänzten kindlich und wiesen nur über den Lidern die Andeutung eines asiatischen Zuges auf. Zwischen den geschürzten Lippen und den blinzelnden Augen sah er – tja, geistig zurückgeblieben aus, dachte Mrs. Pollifax, eher wie ein als Mann verkleidetes zufriedenes Kind.
»Kommen Sie«, sagte sie wie zu einem Kind, und zerrte ihn am Ärmel. Er folgte ihr widerspruchslos. Seine Augen blickten lebhaft und wißbegierig. Bei ihrer eigenen Zelle angelangt, sagte Mrs. Pollifax mit gekünstelter Munterkeit: »Schauen Sie, was ich gefunden habe.«
»Du liebe Zeit«, antwortete Farrell und starrte den kleinen Mann neben ihr an. »Ja, wer ist denn dieser komische Vogel?«
»Unser Nachbar. Bestimmt kann Oberst Nexdhet uns sagen, wer er ist.« Sie sahen beide den Oberst an, der sich mit aller Kraft von seinem Knebel und den Stricken zu befreien suchte. Farrell neigte sich über ihn und zog ihm den Knebel aus dem Mund.
»Nein«, sagte Nexdhet heiser. »Nein, ich verrate Ihnen nicht, wer er ist. Und Sie dürfen ihn unter keinen Umständen mitnehmen.«
»Mitnehmen!« Allmählich begriff Farrell, und vor Entsetzen blieb er stumm. »Sie können doch nicht im Ernst – Sie haben doch nicht die Absicht – «
»Warum nicht?« fragte Mrs. Pollifax.
»Aber wer ist er denn? Sie wissen doch überhaupt nichts von ihm. Herrgott, Herzogin, vielleicht ist das ein wilderer Kommunist als General Perdido selbst.«
»Dann wäre er doch nicht eingesperrt.«
»Wer weiß. Vielleicht hat er die Freundin eines großen Tiers verführt oder versucht, einen Staatsstreich zu organisieren. Er ist Chinese,
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