kommt wie gerufen
hervorgezogen, hinter der er sich verschanzte. Farrell nickte. Er hatte seine Krücke unter dem Bett versteckt, aber der fehlende Baum mußte auffallen, und Mrs. Pollifax beschloß, den Major abzulenken. »Was macht Ihr Rücken?« fragte sie. Dann sah sie, daß er eine Kerze trug, und ihre Augen wurden groß. »Aber Sie werden doch nicht – Sie werden unsere Zelle doch nicht schon so früh beleuchten?« stotterte sie.
»Sehr beschäftigt heute«, erwiderte der Major und steckte die Kerze in den Metallring. »Später keine Zeit mehr.«
Farrell blickte entsetzt auf, während Nexdhet seine Zeitung beiseite legte und Mrs. Pollifax mit aufreizender Bosheit ansah. Mit sinkendem Herzen begriff Mrs. Pollifax, daß sie auf den Steinen saß, mit denen sie den Wächter bewußtlos schlagen sollte. Nun war der Augenblick gekommen und keiner von ihnen war vorbereitet.
Enttäuschung und Wut über die veränderte Tageseinteilung stiegen in ihr auf. Es war noch nicht dunkel. Bisher war die Kerze nie so zeitig gebracht worden. Es konnte nicht später als acht Uhr sein, aber nun würde man die Zellentür erst wieder aufsperren, um General Perdido einzulassen, und sie hockte wie eine Bruthenne auf den Steinen, die Farrell haben mußte, wenn er Major Vassovic damit überfallen wollte.
»Farrell muß es tun«, sagte sie sich vor. »Nur er weiß, wie man so etwas macht.« Aber Farrell saß ohne Steine an der gegenüberliegenden Seite der Zelle.
»Ich kann das nicht«, dachte sie empört. Was würde denn der Klub der Gartenfreunde oder der Pastor ihrer Kirche von ihr denken.
Major Vassovic hatte der Zelle den Rücken gekehrt und zog ein Streichholz aus seiner Hemdentasche. Im nächsten Augenblick würde er es an der Wand anreißen, die Kerze anzünden und sich dann umdrehen. »Ich kann nicht«, wiederholte sie sich trotzig.
Er fuhr mit dem Streichholz über die Wand und Mrs. Pollifax sah das Flämmchen aufflackern. »Ich habe in meinem Leben noch keinen Menschen überfallen«, hielt sie sich vor. »Nie, nie, nie.«
Mit dem Stein in der Hand stand Mrs. Pollifax von ihrer Pritsche auf, ging auf Major Vassovic zu und schlug ihn auf den Kopf. Zu ihrer bodenlosen Überraschung sackte er augenblicklich zusammen und lag wie ein leeres Kleiderbündel auf dem Fußboden. »Um Himmels willen«, sagte sie und starrte ihn mit prickelndem Gruseln an.
»Braves Mädchen«, sagte Farrell, griff unter seiner Pritsche nach seiner Krücke und humpelte hinüber, um sich den Major anzusehen.
»Ausgeblasen wie eine Kerze.«
»Hoffentlich habe ich seinen Rücken nicht verletzt«, sagte Mrs. Pollifax beklommen. »Es ging ihm schon so viel besser.«
»Ganz bestimmt nicht«, versicherte Nexdhet ihr höflich.
»Was geschieht jetzt?«
Farrell hob Vassovics riesige Schlüssel vom Boden und warf sie in die Handtasche von Mrs. Pollifax. »Was geschieht jetzt?« wiederholte er. »Wir rufen den anderen, den Stefan herein, und um die Herzogin zu schonen, werde diesmal ich zuschlagen.«
»Oh?« sagte Mrs. Pollifax begehrlich. »Eigentlich war es ziemlich spannend.«
»Gewöhnen Sie sich das schnellstens wieder ab. Der Teufel soll mich holen, wenn ich in Ihnen den Appetit erwecke, Männer auf den Kopf zu schlagen. Da, helfen Sie mir, den Major in eine glaubhaftere Stellung zu rücken. Wir sagen, er ist bewußtlos geworden. Entschuldigen Sie, Nexdhet«, setzte er grinsend hinzu. »Ist schon verdammt komisch, das alles vor Ihren Augen zu tun.«
»Aber er hilft uns nicht, er sieht bloß weg«, erinnerte Mrs. Pollifax die beiden. »Jetzt?« Farrell hatte hinter der Zellentür Stellung bezogen. Den Stein hielt er in der gesunden Hand. Als er nickte, stieß sie einen gellenden Schrei aus, dann hielt sie den Atem an und rief markerschütternd: »Wache! Wache!« Sie rannte zur Tür und hämmerte mit den Fäusten dagegen.
Eilige Schritte erklangen im Flur, und die unversperrte Zellentür wurde aufgestoßen. Stefan rannte herein, Farrell trat einen Schritt nach vom und schlug ihn nieder. Auch Stefan sank zu Boden. »Sie haben ganz recht, es macht wirklich Spaß«, sagte Farrell.
»Ich suche draußen nach einem Strick, um ihn zu fesseln«, sagte Mrs. Pollifax und hastete ins Wachzimmer. Erst als sie dort anlangte, fiel ihr ein, daß sich vielleicht jemand in diesem Raum aufhalten könnte. Sie nahm sich vor, in Zukunft überlegter zu handeln, und sperrte sofort die Haustür ab, damit keine weiteren Wachen sie überraschen konnten. Sie stöberte die Schreibtischladen
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