kommt wie gerufen
nicht wahr? Er muß eine wichtige Stellung bekleidet haben, sonst wäre er nicht hier.«
»Ich höre Ihnen nicht mehr länger zu«, sagte Mrs. Pollifax beleidigt.
»Von unheilbarer Vertrauensseligkeit«, bemerkte Oberst Nexdhet vom Fußboden her. »Jetzt aber sind Sie verrückt.«
Farrell war ratlos. »Noch etwas dürfen Sie nicht übersehen, Herzogin. Wenn er nicht englisch spricht, begreift er doch nicht, daß wir fliehen, und wenn es ihm dann klar wird, beginnt er sicher im ungünstigsten Augenblick laut zu brüllen. Vielleicht will er gar nicht fliehen.«
»Unsinn, jeder will fliehen«, sagte Mrs. Pollifax geringschätzig.
»Haben Sie ihm erklärt, wie riskant die Sache ist? Vielleicht weiß er sich etwas Besseres, als vor einem Exekutionskommando zu enden«, gab Farrell ihr zu bedenken.
»Miesmacher.«
»Da haben wir wieder ihr zartes Gewissen«, sagte Farrell resigniert zu Nexdhet.
»Bringen Sie ihn sofort in seine Zelle zurück«, befahl Nexdhet. »Und vergessen Sie nicht, ich weiß, wer er ist.«
»Und Sie wollen es uns nicht sagen?«
»Um keinen Preis!« In diesem Punkt schien Nexdhet nicht mit sich reden lassen zu wollen.
Beide betrachteten ihn nachdenklich, bis Farrell sich aus seinen Überlegungen riß und sagte: »Zum Teufel, Herzogin, schließlich ist unser ganzes Vorhaben verrückt. Nehmen Sie ihn mit, verdammt noch mal, wir können nicht endlos Zeit verlieren.«
Wortlos übergab Mrs. Pollifax ihm die beiden Pistolen und half ihm, den Oberst wieder zu knebeln. »Okay, gehen wir«, sagte Farrell forsch, und sie traten in den Flur hinaus. Der Dschinn ließ Mrs. Pollifax’ Ärmel nicht los. Farrell versperrte die Zellentür von außen und steckte die Schlüssel wieder Mrs. Pollifax zu. »Sie können sie später wegwerfen«, sagte er und humpelte ins Wachzimmer. »Wie sollen wir diesen Ihren bedauerlichen Fehltritt denn nennen?«
»Unseren Dschinn«, sagte Mrs. Pollifax prompt. »Er erinnert mich an einen Dschinn aus Aladins Wunderlampe. Natürlich ist er kleiner.«
Auf seine Krücke gestützt, sperrte Farrell die Außentüre auf und öffnete sie. »Im großen Haus brennen nur zwei Lampen«, sagte er.
»Wollen wir?«
Galant hielt er die Tür für Mrs. Pollifax und ihr Findelkind offen, und sie gingen an ihm vorbei in die schwüle Nacht. »Wir sind draußen, wir sind frei, wir sind nicht mehr gefangen«, dachte Mrs. Pollifax und schöpfte tief Luft. Eben wollte sie wieder ausatmen, als rechts von ihr eine beißende Stimme sagte: »Aber, aber, da kommen ja meine drei Häftlinge, und weit und breit kein Wächter in Sicht! Offenbar bin ich im richtigen Zeitpunkt aus Peking zurückgekehrt.«
General Perdido war wieder da.
17
»Zurück – ins Wachzimmer«, bellte General Perdido und zog seinen Revolver aus dem Halfter. »Das soll Vassovic den Kopf kosten. Lulasch, sehen Sie nach, was die mit Vassovic angestellt haben. Wird’s bald!«
Während der General seine Befehle brüllte und seine Aufmerksamkeit dadurch für Sekunden abgelenkt wurde, hob Mrs. Pollifax den Arm und schleuderte die Zellenschlüssel weit in das Dunkel.
Ängstlich wartete sie auf das metallische Aufklatschen auf den Steinen, aber weder ihre Armbewegung, noch das Geräusch fiel jemandem auf, und Mrs. Pollifax’ Zuversicht stieg. Sie hätte nicht genau sagen können, weshalb ihr Mut zurückkehrte. Am ehesten wohl, weil der General doch etwas hätte bemerken müssen, und daß er es nicht getan hatte, bewies, daß er auch kein Unmensch war. Ein Mann, der brüllend Befehle erteilte und aus der Dunkelheit vorschnellte, konnte leicht in den Ruf übermenschlicher Fähigkeiten gelangen, überlegte sie. Diese Zellenschlüssel bekam er jedenfalls nicht wieder, und falls es ein zweites Paar gab, dann würde es eine gewisse Zeit dauern, ehe es gefunden wurde.
So waren sie höchst ruhmlos wieder im Wachzimmer gelandet und standen wie drei schlimme Kinder vor dem Schreibtisch, hinter dem der General Platz genommen hatte. Verzweifelt versuchte Mrs. Pollifax zu überlegen. Die Stromversorgung war primitiv. Es gab nur eine einzige Leitung, hatte der Major ihr gesagt. Es wäre wunderbar, wenn sie irgend etwas anstellen könnte, um einen Kurzschluß zu erzeugen. Leider besaß sie wieder einmal kein Messer und kannte sich mit elektrischen Leitungen überhaupt nicht aus.
»Was seid ihr doch für Narren«, zischte der General. »Nie hätte ich euch das zugetraut. Es wird mir ein besonderes Vergnügen sein. Sie dafür zu bestrafen, Mr.
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