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Komoedie des Alterns

Komoedie des Alterns

Titel: Komoedie des Alterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Scharang
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Kolonialherr zu genießen, mit Lebensmitteln, Getränken und Amüsement aus dem Ausland. Der Kulturtourist bringe das Land zum Verdorren. Saranis Onkel habe das ändern wollen.
    Von der Farm, sagte Zacharias, sei der Präsident informiert, aber nur in Maßen beeindruckt gewesen, ihm sei sie zu egalitär, zu demokratisch, gar sozialistisch, sie passe nicht in die heutige Welt. Andererseits würden dort zunehmend Maschinen eingesetzt, im Auftrag Saranis, der diese Maschinen selbst entwerfe, und zwar im Hinblick auf hiesige Bedingungen, der aber auch, und das sei in den Augen des Präsidenten wichtig, Menschen ausbilde, um diese Maschinen zu warten und zu reparieren. Es sei demütigend genug, habe der Präsident gesagt, jeden Schmarren des täglichen Bedarfs importieren zu müssen, unerträglich aber sei es, für die Reparatur dieses Krempels auch noch Fachleute einfliegen zu lassen.
    Unweigerlich, sagte Zacharias, sei die Rede auf Mustafa gekommen. Er habe nicht viel sagen müssen, der Präsident sei im Bild gewesen. Er habe die Tätigkeit Mustafas, seines Neffen, gelobt, der habe umsichtig importiert, was im Land gebraucht wurde, habe dann aber, Opfer seines Berufs als Importeur, jeden Ansatz zu eigenständiger ägyptischer Produktion bekämpft als einen Anschlag auf sein Geschäft. Deshalb werde Mustafa kaltgestellt, mitsamt seinen Scharfschützen. Heinrich über all das zu informieren, sagte Sarani, hätte geheißen, ihn in diese vielleicht nicht ungefährliche Sache hineinzuziehen.
    Freudensprung hatte keine Zeit, darüber nachzudenken oder gar eine Frage zu stellen, denn der rotblonde Kellner brachte die Platte mit Meeresfrüchten, zwei frische Teller und Wein. Sarani schob mit einem großen Stück Weißbrot die Tintenfischringe zur Seite, tunkte es in das Olivenöl, nahm einen herzhaften Bissen und lehnte sich behaglich zurück. Freudensprung spießte vier Stück vom Tintenfisch und ein paar Miesmuscheln, die aus den Schalen gefallen waren, auf die Gabel und steckte sie in den Mund, so rasch, als wolle jemand sie ihm wegnehmen. Sarani war der erste der beiden, der, wenn auch mit vollem Mund, wieder sprechen konnte. Es sei ihm, selbst wenn Heinrich das nicht wahrhaben wolle, ernst damit, nach Zürich zu übersiedeln. Er brauche nur noch Sophies Zustimmung, er zweifle leider nicht, sie zu bekommen. Sophie kränkle seit einiger Zeit, ihr, die früher ähnlich prädestiniert schien für das Wüstenklima wie Heinrich, mache der krasse Temperaturwechsel zunehmend zu schaffen, was sie, auf das Gedeihen der Farm bedacht wie niemand sonst, vor sich verleugne, doch jedermann sehe, daß sie des öfteren die Arbeit im Büro unterbrechen und sich auf das Sofa legen müsse. Sie werde, noch dazu da Johanna die Farm souverän leite, wenn auch nicht immer von Ägypten aus, gern nach Europa mitkommen.
    Und noch etwas, sagte Sarani, sei zu klären. Heinrich stehe für seine Arbeit auf der Farm ein ansehnlicher Betrag zu, den er erst im Alter ausbezahlt haben wolle und der nun fällig werde. Zacharias begleiche diese Schuld aus seinem ererbten Vermögen. Dieses sei für ihn zeitlebens der alte Weg gewesen, auf den man zurückkehren könne, wenn der Bau des neuen wider Erwartenscheitere. Er habe, was er sehr schätze, seine Experimente ohne Sorgen machen können. Sorgen drückten einen nieder, Sorgen zu haben sei Denken in der unproduktivsten, in der Form der Angst.
    Das Experiment, sagte Sarani, sei ein Kind des Überflusses, anders als die Improvisation, die ein Kind des Mangels sei. Die Improvisation mache aus der Not eine Tugend, das Experiment aus dem Überfluß eine neue Welt. Die Farm produziere sogar als Genossenschaft einen Überfluß, der in die Akademie, das Experimentierfeld für eine neue Welt, hätte fließen sollen. Die Akademie aber habe Heinrich zu Fall gebracht.
    Sarani schwieg. Freudensprung nickte resigniert, als stimmte er stumm einem Verrückten zu, dessen Rede er vernommen hatte, ohne deren Sinn zu begreifen. Er habe in seinem Leben, sagte er schließlich, anders als Zacharias, wenig bewirkt, sollte es ihm aber gelungen sein, was nicht in seiner Absicht gelegen sei und wozu er gewiß nichts beigetragen habe, die Akademie zu zerstören, wäre das eine beachtliche Leistung.
    Sarani schaute den Freund ratlos an. Wahrscheinlich, sagte er, sei es besser, sie würden nicht darüber sprechen. Freudensprung nickte abermals. Zacharias habe gewiß recht, sagte Freudensprung, das Leben, sofern es gegängelt werde, sei

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