Komplott
Eigentlich hätte ich Miss Partridge hinauswerfen sollen. Seien Sie mir bitte nicht böse.«
Er beugte sich über das Geländer der Plattform, lächelte verbindlich und winkte sogar freundlich hinab zu ihr.
»Von einem Minister hätte ich eigentlich mehr Selbstbeherrschung erwartet«, gab Paula zurück und stieg, ohne Macomber weiter zu beachten, die restlichen Stufen der Treppe hinab. Dabei entging ihr der wütende Blick in seinen großen blauen Augen, doch als sie unten auf der Straße ankam, hörte sie, wie oben die Metalltür zugeknallt wurde.
Nachdem sich Paula ihre Kleidung wieder zurechtgerückt hatte, ging sie eine schmale Gasse entlang, die sie wieder nach Whitehall brachte. Als sie die Ecke des Gebäudes umrundete, sah sie einen ihr nur allzu bekannten Mann auf den Haupteingang des Hauptquartiers der Triade zusteuern. Es war Tweed.
35
»Was machen Sie denn hier?«, fragte Paula erstaunt. »Ich dachte, Sie wollten zu General Macomber.«
»Bei dem war ich schon. Und jetzt möchte ich mit seinem Sohn Nelson reden, so wie ich es heute Vormittag angekündigt habe.«
Er blieb stehen, als sich die Tür zum Hauptquartier automatisch öffnete und Nelson, der einen dunklen Anzug mit einer weißen Nelke im Knopfloch trug, herauskam.
Drinnen sah Paula noch eine Gruppe von Angestellten, die ihrem Chef applaudierten.
Nachdem sich Nelson mit einem strahlenden Lächeln bei ihnen dafür bedankt hatte, wandte er sich an Tweed.
»Wollten Sie etwa zu mir? Ich bin gerade im Aufbruch begriffen.«
Er deutete ans Ende der kleinen Straße, wo eine lange, schwarze Limousine wartete, vor der ein uniformierter Chauffeur stand und salutierte.
»Ich bin gekommen, um Ihnen zu gratulieren.«
»Mein lieber Tweed …« Nelson legte ihm einen Arm um die Schulter und drückte ihn.
»Ich freue mich ja so auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.« Er strahlte Paula an. »Und natürlich auch auf die mit Ihrer attraktiven und so immens tüchtigen Paula.«
Vor Angst, dass er auch sie in den Arm nehmen könnte, trat Paula einen Schritt zurück. Macomber war kräftig gebaut, und den Gedanken, dass er ihr vielleicht die Seele aus dem Leib quetschte, fand sie nicht besonders verlockend.
»Eine der beiden Schlagzeilen des heutigen Tages gehört ganz Ihnen«, meinte Tweed und zog eine zusammengefaltete Zeitung unter dem Arm hervor. Macomber las die Schlagzeile über seine Ernennung zum Minister und tat so, als sähe er sie zum ersten Mal.
»Die übertreiben ein bisschen, finden Sie nicht auch?«, fragte er mit einem selbstzufriedenen Lächeln.
»Ach, ich weiß nicht«, erwiderte Tweed. »Aber angesichts der soeben erschienenen zweiten Sonderausgabe ist das ohnehin nicht mehr so wichtig.«
Er reichte Macomber die zweite Zeitung, die er unter dem Arm trug. Auch hier war ein von Drew Franklin geschriebener Bericht der Aufmacher: »GEFÄNGNIS AUF BLACK ISLAND GEHT IN FLAMMEN AUF«.
Paula beobachtete das Gesicht des frisch gebackenen Ministers. Seine Miene verfinsterte sich schlagartig, als er den Artikel darunter überflog. Paula sah jetzt auch in das Blatt und las Sätze wie »… wirbelten tote slowakische Bauarbeiter durch die Luft…« und »… eine an die berüchtigten Folterkeller des KGB erinnernde Zelle, in der ›soziale Saboteure‹ zur Räson gebracht werden sollten…«.
»Das ist kompletter Unsinn!«, japste Macomber. »Weiter hinten kann man Fotos sehen, die alles beweisen, was hier steht«, sagte Tweed.
»Da stecken doch garantiert mal wieder Sie dahinter, Tweed!«
»Nun seien Sie nicht albern, Herr Minister. Drew Franklin hat seine Informanten überall.«
»Mein Wagen wartet«, sagte Nelson, als er endlich die Fassung wiedererlangt hatte.
»Dieses Schmierblatt können Sie behalten!«
Er warf Tweed die zweite Sonderausgabe zu, behielt aber die erste, die sich mit seiner Ernennung zum Minister beschäftigte. Dann ging er mit großen Schritten zu der Limousine, wo ihm der Chauffeur mit bangem Gesicht die hintere Tür aufhielt.
»Lassen Sie uns zur Park Crescent fahren«, sagte Tweed kopfschüttelnd zu Paula. »Ich möchte wissen, was die anderen bei ihren Befragungen herausgefunden haben.«
»Ich war übrigens in Walkhampton in den Midlands«, erzählte Paula, als sie im Auto saßen und Tweed durch den Feierabendverkehr steuerte. »Dort ist Miss Partridge aufgewachsen.«
»Erzählen Sie das lieber im Büro, damit die anderen es auch mitkriegen«, sagte Tweed.
Auf der weiteren Fahrt sagte Paula kein Wort. Es kam ihr so
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