Komponente Calthur
seines Könnens auch verdiente: Er war Chef geworden.
Das war nur einer der typischen Versager, die sich die freie Menschheit mit ihren hervorragenden Köpfen erlaubt hatte.
Leute dieser Art läßt man nicht wegen der mißgünstigen Einstellung eines um seinen Job besorgten Vorgesetzten gehen. Man hält sie, setzt sie richtig ein und fördert sie. Dann bleiben sie auch.
Nun bekamen wir es mit einem hochqualifizierten Geheimdienstmann zu tun. Die Entwicklung gefiel mir gar nicht. Wir waren unserem Ziel noch keinen Schritt nähergekommen.
8.
Der 1. Juli des Jahres 2011 war vor knapp drei Stunden angebrochen. Es war 2:56 Uhr.
Hannibals Röcheln war die Folgeerscheinung eines Erstic kungsanfalls. Etwas an seiner Vollfolie war nicht mehr in Ordnung. Sie entzog dem Trägerkörper mehr Sauerstoff, als seine Lungen aufnehmen und in den um einen Liter erhöhten Blutstrom abgeben konnten.
Darunter litt sein Kreislauf in immer stärkerem Maße. Hier und da, besonders in den gefährdeten Endgliedern, verfärbte sich die Biosynthfolie bereits weißlich. Dort begann sie abzusterben. Sein kleiner Körper schaffte es nicht, den Bedarf einer derart mächtigen Zusatzeinrichtung zu sättigen; wenigstens nicht auf die Dauer.
Ich hatte seinen genial getarnten Buckeltornister geöffnet. Die in unserer Unterkunft installierten Spionanlagen hatte ich schon kurz nach unserer Ankunft entdeckt. Getreu der Toterlayschen Mentalität hatte ich sie wutentbrannt zertrümmert.
Außer einem ironischen Lächeln seitens des Abwehrchefs Franco Sadonelli hatte ich keine Reaktion bemerkt. Diese Leute waren glatt wie Aale.
Ich war daher überzeugt, in dieser Nacht unbeobachtet zu sein. Auch wenn ich es nicht gewesen wäre, hätte ich es trotzdem riskieren müssen, Hannibals Kunstbuckel zu öffnen, um die dort eingelagerten Reserve-Druckampullen in die Halterung der Automatspritze einzusetzen, deren Rotations-Ampullenmagazin durch die hohen Anforderungen geleert war.
Ohne Medikamente würde Hannibal diese Nacht nicht überstehen.
Ich hatte ihm die Kleidung abgestreift. Sie war uns von den Calthur-Priestern zur Verfügung gestellt worden, denn die Kom bis, die wir unter den Raumanzügen getragen hatten, waren verschmutzt.
Quasimodos echter Höcker war von unseren Experten naturgetreu nachgebildet worden, allerdings mit dem Unterschied, daß er innen hohl und aufklappbar war.
Darin befanden sich die »Spezialitäten« der GWA: erprobte Mikrogeräte und Mikrowaffen, deren äußere Form man haargenau dem Verlauf der Höckerkrümmung nachgebildet hatte. Auf diese Weise ließ sich in dem relativ kleinen Hohlraum enorm viel verstauen.
Ich mußte an Manzo denken; an jenen Mutanten, den wir vor Jahren im Amazonas-Urwald gefunden und als Freund gewonnen hatten. Er war schon lange tot. Auch er hatte im Einsatz einen solchen Höcker getragen, nur war er wesentlich größer gewesen.
Ganz oben, nahe den Halswirbeln, war die Injektionsspritze eingebaut. Ihre Hochdruckdüse haftete fest auf Hannibals natürlicher Haut. Dort hatte sie sich eingegraben und verursachte ständige Schmerzen. Nach dem Abschuß einer Hochdruck-Flüssigkeitsladung entwickelte sich ein kleines Vakuum. Mit der Zeit war der Düsenkopf in Hannibals Fleisch eingedrungen.
Ich entfernte ihn, indem ich den kurzen Druckschlauch belüftete. Danach konnte ich den Düsenkopf herausziehen. Der Kleine stöhnte unterdrückt.
»Desinfizieren«, flüsterte er. »Aber richtig.«
Ich befolgte den Rat, setzte den Düsenkopf etwas tiefer an und konterte das starre Verbindungsstück in der neuen Strahlrichtung. Anschließend fügte ich die farbig markierten Druckampullen in das Rotationsmagazin ein und drehte die Andruckmutter an, bis alle sechs Patronen von den Dornen durchstochen und damit geöffnet waren. Mehr konnte ich vorerst nicht tun.
Die Mikro-Diagnoseautomatik war in Ordnung, aber sie zeigte Rotwert. Hannibal war am Ende, das stand fest.
Sauerstoffanreichernde Medikamente zischten sofort in seine Blutbahn. Nach einigen Minuten mäßigten sich die Atemzüge. Der Erstickungsanfall verging. Die Fingerspitzen blieben jedoch weißlich verfärbt. An den Füßen löste sich bereits die Folie auf. Sie verströmte einen Verwesungsgeruch.
»Bald stinke ich aus den Schuhen wie ein verfaulter Hering«, gab er durch. Er war sehr gefaßt. »Großer, das geht schief. Ich werde zur Gefahrenquelle erster Ordnung. Man wird argwöhnisch werden, mich untersuchen – und damit ist alles vorbei.
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