Konfessor - 17
Hals.
Nicci spürte, wie sich der Rada’Han mit einem Klicken schloss. Im selben Augenblick verlor sie die Verbindung zu ihrem Han. Sie war mit der Gabe geboren und schenkte ihr daher meist keine Beachtung. Doch nun war sie vollkommen von ihrem Talent getrennt, das, wie ihr Augenlicht oder Gehör, stets vorhanden war, und das sie stets benutzte, ohne je darüber nachzudenken. An seine Stelle trat nun eine erschreckende, ungewohnte Leere.
Die unvermittelte Abtrennung von ihrer Gabe hatte etwas Lähmendes. Ohne sie zu sein, war, als fehle ein Teil ihres Selbst, der Kern dessen, was ihr Wesen ausmachte.
»Auf die Beine«, befahl Schwester Armina.
Als der Schmerz endlich abebbte, sackte Niccis Körper kraftlos zusammen. Sie wusste nicht, ob ihre Muskeln ihr gehorchen würden, ob sie überhaupt die Kraft besitzen würde, sich zu erheben, kannte Schwester Armina aber gut genug, um nicht zu zögern. Sie wälzte sich herum und stemmte sich hoch auf Hände und Knie. Als sie sich nach Meinung der Schwester nicht schnell genug bewegte, fuhr ihr ein lähmender Schmerzensschock ins Kreuz. Sie unterdrückte einen Aufschrei, streckte gegen ihren Willen alle viere von sich und landete erneut flach auf dem Boden.
Schwester Greta schien ihren Spaß zu haben. »Auf mit dir«, kommandierte Schwester Armina, »oder ich zeige dir, was wirkliche Schmerzen sind.«
Wieder stemmte sich Nicci mit Händen und Knien hoch und versuchte keuchend Luft zu holen. Tränen fielen auf den staubigen Boden. Klug genug, nicht länger zu zögern, kämpfte sie sich mühsam auf die Beine. Ihre Beine zitterten, aber sie schaffte es, sich aufrecht zu halten. »Bringt mich einfach um«, stieß sie hervor. »Ich werde nicht kooperieren, ganz gleich, wie viel Schmerzen Ihr mir bereitet.« Schwester Armina neigte den Kopf zur Seite und brachte ihr eines Auge ganz nah an sie heran. »Oh, Schätzchen, ich denke, da täuschst du dich.« Wieder war es Jagang, der gesprochen hatte.
Ein blendender, flimmernder Schmerz, ausgelöst von dem Ring um ihren Hals, strömte durch ihr Innerstes. Der Schmerz war so überwältigend, dass sie auf die Knie sackte.
Es war nicht das erste Mal, dass sie Jagangs Folter über sich ergehen lassen musste. Doch wenn er früher in ihren Verstand eindrang, so wie jetzt in den dieser Schwester, hatte er ihr das Gefühl gegeben, er stoße ihr dünne Eisendorne tief in die Ohren, ehe er den Schmerz durch ihren Körper nach unten schießen ließ.
Dies war schlimmer.
In der sicheren Erwartung, ihr Blut aus Ohren und Nase rinnen und die Steinplatten bedecken zu sehen, starrte sie auf den Boden. Aber so sehr sie in ihrer unendlichen Qual auch blinzelte und keuchte, Blut war keines zu erkennen. Es wäre ihr lieber gewesen. Wenn sie nur genug blutete, würde das Leben aus ihr weichen.
Allerdings kannte sie Jagang gut genug, um zu wissen, dass er ihr nicht erlauben würde, einfach wegzusterben. Noch nicht. Der Traumwandler mochte es nicht, wenn Menschen, die seinen Zorn erregten, eines schnellen Todes starben, und vermutlich gab es niemanden, den er ausgiebiger leiden lassen wollte als sie. Irgendwann würde er sie natürlich töten, aber zuerst würde er sich rächen und sie dann, nur um sie zu demütigen, eine Zeitlang seinen Männern überlassen, ehe er sie in die Folterzelte schickte. Diese Phase würde sich über einen langen Zeitraum erstrecken. Und wenn er schließlich ihrer Qualen überdrüssig wäre, würde sie ihre letzten Tage damit verbringen, dass man ihr die Eingeweide langsam durch einen Schlitz in der Bauchdecke entfernte. Dabei würde er zugegen sein wollen, um Zeuge ihres Todes zu sein und sich zu vergewissern, dass sein triumphierendes Lächeln das Letzte war, was sie vor ihrem Ende sah. In diesem Moment der Erkenntnis ihres Schicksals bedauerte sie nur eins: dass sie Richard niemals wiedersehen würde. Wenn sie ihn nur noch einmal sehen könnte, davon war sie überzeugt, würde sie ertragen können, was ihr nun bevorstand.
Schwester Armina trat näher, nah genug, um sicher zu sein, dass Nicci ihr überlegenes Lächeln sehen konnte. Jetzt hatte sie die Gewalt über den Ring um Niccis Hals, aber auch Jagang vermochte sie über diese Verbindung zu kontrollieren.
Zitternd und keuchend vor Schmerzen lag Nicci auf den Knien. Ihr Blick verdunkelte sich mehr und mehr, bis sie kaum noch etwas erkennen konnte. Ihr klangen die Ohren.
»Begreifst du jetzt, was dir blüht, wenn du uns nicht gehorchst?«, fragte Schwester
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