Konfessor - 17
die Oberschenkel, und der schwere Atem der drei Schwestern schien darauf hinzudeuten, dass die Anstrengung auch an ihnen nicht spurlos vorübergegangen war. Es war nicht zu übersehen, dass sie der Herausforderung nicht gewachsen waren und zunehmend müde wurden.
Obwohl das Gleiche auch für Nicci galt, hatte sie nicht mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Immer wieder waren die Schwestern gezwungen, Halt zu machen, um eine kurze Verschnaufpause einzulegen. War es wieder einmal so weit, hockten sie sich auf die Stufen, lehnten sich gegen die Wand und rangen keuchend nach Atem. Nicci erlaubten sie nicht, sich hinzusetzen.
Als sie schon glaubte, keinen weiteren Absatz mehr hinuntersteigen zu können, gelangten sie zu einer ebenen Stelle. Zuerst nahm Nicci an, es handele sich um einen weiteren Treppenabsatz, wie sich jedoch herausstellte, war es ein eben verlaufender Gang. Der Weg vor ihnen wühlte sich mehr oder weniger ebenso verwinkelt durch das Gestein wie zuvor die Treppe, wies allerdings kein Gefälle auf. An manchen Stellen war der enge Durchgang so niedrig, dass sie sich unter dem tief herabhängenden Felsgestein hindurchducken mussten. Die Wände waren aus demselben Fels gehauen und so uneben, dass sie vor allem an eine Höhle erinnerten. Manche Stellen waren nur zu passieren, indem man sich auf engstem Raum hindurchzwängte, dort brannte Nicci der erstickende Rauch der Fackeln besonders stark in den Augen.
Unvermittelt weitete sich der schmale Tunnel zu einem richtigen, zwei nebeneinander gehenden Personen mühelos Platz bietenden Gang, dessen Seitenwände nicht mehr aus dem Muttergestein gehauen, sondern aus Steinquadern errichtet worden waren. Die Decke aus gewaltigen, die gesamte Breite des Gangs überspannenden Steinquadern war niedrig und schwarz vom Ruß der Fackeln, hing aber wenigstens nicht mehr so tief, dass Nicci in gebückter Haltung gehen musste. Nicht lange, und sie stießen auf die ersten Einmündungen und zu den Seiten abgehenden Quergänge, und rasch wurde offenkundig, dass sie sich in einem Labyrinth aus in alle Richtungen abzweigenden Gängen befanden. Sobald sie einen Seitengang passierten, fiel das Licht der Fackeln kurz in lange, dunkle Schächte. In einigen dieser seitlichen Öffnungen erblickte Nicci jedoch Kammern, in deren Seitenwände niedrige Nischen gehauen worden waren.
Ihre Neugier gewann die Oberhand. Sie blickte über ihre Schulter zu Schwester Armina.
»Was ist dies für ein Ort?« »Katakomben.« Nicci, die nicht gewusst hatte, dass dergleichen unter dem Palast des Volkes existierte, fragte sich, ob womöglich irgendjemand von oben - Nathan, Ann, Verna oder die Mord-Sith - von ihnen Kenntnis hatte. Doch noch im selben Moment, als ihr die Frage in den Sinn kam, dämmerte ihr auch die Antwort. Niemand wusste davon. »Und was tun wir hier unten?«
Schwester Julia wandte sich herum und bedachte Nicci mit einem blutverschmierten, zahnlosen Grinsen. »Das wirst du noch früh genug erfahren.«
Da sie nun wusste, was für ein Ort dies war, wurde ihr auch klar, dass die übereinandergestapelten Stoffbündel, die sie in einigen Seitenräumen erblickt hatte, Leichen gewesen waren, Abertausende von in Totengewänder gehüllte Leichname, auf denen sich während der langen Jahrhunderte lautloser Starre der Staub abgelagert hatte. Als sie an weiteren, nun in rascher Folge auftauchenden Kammern vorüberkamen, erblickte sie in den Wänden zunehmend Nischen, die keine einzelnen Toten enthielten, sondern regelrechte Knochenberge. Die in schwindelerregender Zahl übereinandergeschichteten Knochen waren ausnahmslos säuberlich gestapelt und füllten die Nischen nahezu vollständig aus. Wann immer der Fackelschein in die beiderseitigen Kammern fiel, erblickte Nicci, so weit das Licht vordrang, vom Boden bis zur Decke in säuberlichen Reihen aufgeschichtete Stapel von Totenschädeln. Es war unmöglich zu erkennen, wie weit diese sauberen Stapel in die Dunkelheit hineinreichten. Die beiden vor ihnen gehenden Schwestern geleiteten sie durch eine verwirrende Folge von Abzweigungen. Einige der Gänge, für die sie sich entschieden, fielen leicht ab, und an manchen Stellen mussten sie über weitere Treppenfluchten zu noch tiefer in der Erde liegenden Gängen hinabsteigen.
Überall gab es Kammern voller Gebeine, einige mit Schädeln, andere mit an jeder verfügbaren Stelle ordentlich übereinandergestapelten Knochen, sämtlich stumme Zeugen der einst hier Lebenden. Bisweilen passierten
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