Konfessor - 17
zu stören, folgten, stets auf der Hut und so geräuschlos wie irgend möglich, die Soldaten. Irgendwann machte die Gruppe der weiß gewandeten Bediensteten in einem Abschnitt des Flures Halt, wo es keinerlei Einmündung gab. Weiter vorn gingen ein paar Hallen zu beiden Seiten ab. Einige der Grabkammerbediensteten legten ihre Handflächen auf den weißen Marmor, strichen sachte über die Wand und sahen sich dabei zu Cara um.
»Hier?«, fragte sie.
Die Bediensteten, von denen sich die meisten um sie geschart hatten wie Küken um eine Glucke, nickten.
»Und was erscheint euch an dieser Stelle, in diesem Flur, nun so seltsam?«, wollte sie wissen.
Mehrere hielten die Hände im gleichen Abstand auseinander und machten eine Geste Richtung Wand.
Cara begriff nicht, ebenso wenig Verna. Dario kratzte sich seinen weißen Haarkranz. Selbst ihn stellte die seltsame Pantomime vor ein Rätsel. Die Bediensteten steckten einen Moment die Köpfe zusammen und diskutierten das Problem untereinander in ihrer Zeichensprache. Schließlich wandten sie sich alle wieder herum zu Cara. Drei von ihnen wiesen auf die Wand, schüttelten dann den Kopf. Anschließend wandten sich alle erneut herum, um Caras Reaktion zu sehen und ob sie verstanden hatte.
»Das Aussehen der Wand gefällt euch nicht?«, versuchte es Cara. Sie schüttelten den Kopf. Cara warf einen fragenden Blick zu Verna und Dario. Der verdrehte nur die Handflächen und zuckte die Achseln. Verna wusste ebenso wenig mit einer Erklärung aufzuwarten. »Ich begreife noch immer nicht«, sagte Cara. »Ich weiß, eurer Ansicht nach stimmt mit dieser Wand etwas nicht« - Nicken -, »ich frage mich bloß, was.« Sie seufzte. »Tut mir leid. Es ist nicht eure Schuld, sondern mein Unvermögen. Ich kenne mich in diesen Dingen einfach nicht aus. Könntet ihr mir vielleicht auf die Sprünge helfen?« Einer der Männer aus der Gruppe nahm Caras Hand und zog sie sachte näher zur Wand, berührte dann mit einem Finger seiner anderen Hand die Wand und sah wieder zu Cara.
»Fahr fort«, sagte sie. »Ich höre zu.«
Ihre Formulierung entlockte ihm ein Lächeln, ehe er sein Augenmerk erneut auf die Wand richtete und begann, einige der grauen Adern mit dem Finger nachzuzeichnen. Er schaute über seine Schulter. Als er ihre Stirn konzentriert in Falten gelegt sah, fuhr er fort, den grauen Wirbel nachzuzeichnen, was er mehrmals an derselben Stelle wiederholte, um sich ihrer Aufmerksamkeit zu vergewissern. »Es sieht aus wie ein Gesicht«, stellte Cara in stillem Staunen fest. Heftiges Nicken. Alle freuten sich stumm. Eine Frau streckte die Hand vor und wiederholte die Geste, folgte mit dem Finger erst einem Schwung, dann einem Bogen, ehe sie, genau wie zuvor der Mann, an zwei Stellen in die Mitte tippte. Augen.
Jetzt zeichnete auch Cara das Gesicht in dem Gestein nach, erst den Mund, dann die Nase und schließlich die Augen. Das weiß gewandete Grüppchen gab zufrieden klingende Grunzlaute von sich und klopfte ihr, begeistert, dass sie es geschafft hatten, ihr das Gesicht zu zeigen, auf den Rücken.
Verna hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie damit bezweckten. Dann eilte einer der Männer aus der Gruppe gestikulierend zu einer Stelle auf der gegenüberliegenden Seite etwas weiter hinten im Flur und zeichnete dort etwas in der grauen Äderung nach. Von ihrem Platz aus konnte Verna nichts erkennen, vermutete aber, dass es ein weiteres Gesicht war. Der Mann eilte zu einer anderen Stelle im Flur und zeichnete erneut mit den Fingern ein kleines, ihnen entgegenblickendes Gesicht nach, und schließlich woanders noch ein größeres. Allmählich begriff Verna. Diese Menschen hielten sich ständig hier unten auf, hatten sich die unterschiedlichen Markierungen in den zunächst völlig unterschiedslosen weißen Marmorplatten eingeprägt. Nur waren sie für sie eben nicht ununterscheidbar. Diese Zeichen waren für sie, die sie ihr ganzes Leben damit zugebracht hatten, diese Gewölbe zu hegen und zu pflegen, so etwas wie Wegmarkierungen. Sie hatten sich alle eingeprägt, ausnahmslos.
Auch Caras Gesicht war anzusehen, dass sie verstanden und ihre Besorgnis zugenommen hatte.
»Und jetzt zeigt mir noch einmal, was nicht stimmt«, forderte sie mit ernster, aber ruhiger Stimme auf.
Ganz aufgeregt, weil Cara ihnen endlich zu folgen vermochte, eilten die Bediensteten wieder zurück zu jener Stelle, wo sie ihr das erste Gesicht gezeigt hatten, und bewegten beide Hände vor und zurück, in Richtung Wand und von
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