Konfetti im Regen
im Bürotrakt. Die Klimaanlage blies kühle Luft durch die Schlitze. Iris hörte das gleichmäßige Baritongemurmel von Männerstimmen. Die Polizei maß, fotografierte, sammelte. Ein geschäftiger Bienenstock. Jemand stellte Iris ihren Rucksack hin.
Iris sah sich ihren Pullunder an. Er war voller Blut und Erbrochenem. Sie hatte den Wunsch, sich umzuziehen. Das Einzige, was sie zum Anziehen fand, war der blaue Kittel, den Alley getragen hatte, um sich nicht schmutzig zu machen, wenn er sich um die Post kümmerte. Die Vorstellung gefiel ihr nicht.
Iris dachte über die Toten nach. Das Leben hatte sich verändert, aber sie wußte nicht, welche Bedeutung das für sie hatte. Für Somers bedeutete es nur, daß er mehr Arbeit bekam, vermutete sie. Mehr Arbeit.
Die Sanitäter hatten sie kurz untersucht und waren gegangen. Sie wollten sie mit in die Notaufnahme nehmen, aber sie hatte sich geweigert. Könnte Somers sie, bitte, fahren? Sie war stark genug gewesen. Jetzt war sie müde.
»...hat sich vor einer Stunde gestellt, sah aus, als ob ihm jemand sein Hündchen weggenommen hätte.« Paul Lewin war vor der Tür. »... ist die letzten beiden Häuserblocks zu Fuß gegangen. Sein BMW hat am Ende nicht mehr mitgemacht. Easter hat vermutlich Jaynie umgebracht. Die Probe, die wir bei ihm genommen haben, ist im Labor.«
»Merkwürdig. Diese Art von Gaunern bringt eigentlich keine Frauen um.«
»Sieht so aus, als ob die beiden es auf eigene Faust gemacht haben. Sie waren hinter Iris her, erwischten statt dessen Jaynie und gerieten in Panik.«
»Kann man die Waffe bis zu dem großen Boß zurückverfolgen?« sagte Somers.
»Camelletti? Kannst du vergessen. Der wird wieder einmal davonkommen und duften wie eine Rose. Was ist mit dieser Notwehrsache?«
Somers zuckte mit den Achseln. »Iris lag auf dem Boden. Stan stand vor ihr, also hat sie nichts gesehen. Außerdem war sie nicht ganz bei sich, kaum bei Bewußtsein. Es hat einen Kampf um die Waffe gegeben.«
»Und Camelletti hat gesagt, du bist erst gekommen, als alles vorbei war, hm?« Lewin sah Somers prüfend an.
»Das stimmt.«
Lewin und Somers starrten sich an. »Das Problem ist erledigt«, sagte Lewin.
»Aber wir sind wieder da, wo wir angefangen haben, mein Freund. Wir wissen immer noch nicht, wer Alley umgebracht hat.«
»Was hat dich zu McKinney gebracht?«
»Susan Raab. Ich hab’ bei Raab zu Hause angerufen, und sie sagte, ihr Mann sei im Büro. Und Sushi.«
»Sushi?«
»Ich hab’ das Zeug nie gemocht, um das vorauszuschicken.«
Lewin sah Somers fragend an.
»Das erzähl ich dir später. Raab brabbelte die ganze Zeit alles mögliche, als er verblutete. Etwas von Plänen.«
»Plänen?«
Iris Thorne krächzte: »Todesröcheln eines Yuppies.«
Somers steckte den Kopf durch die Tür. Er lächelte. »Ich wußte nicht, daß du da bist. Wie geht es dir?«
Iris nickte. »Gut. Der Hals tut weh.«
Lewin schaute in Jaynies Büro. Er nickte kurz. »Miss Thorne.«
Sie ahmte das Nicken nach. »Detective.«
»Ich werde hier alles überprüfen«, sagte Lewin. »Vermutlich werden sie Fotos von ihren Schuhen machen.«
Lewin drehte sich auf dem Absatz um und ging mit schwerem Schritt davon.
»Ich hasse Leute mit so schwerem Gang. Das ist so«, sagte Iris achselzuckend, »aufdringlich.«
Somers lachte. »Ich bring’ dich ins Krankenhaus.«
»Kann ich nicht nach Hause?«
»Tut mir leid.«
»Danke, daß du mich ausfindig gemacht hast.«
»Ich tu’ nur meine Arbeit, Ma’am.«
»Willst du Aktien kaufen?«
»Ja«, lachte Somers. »Vielleicht tu ich das. Ich bin in fünf Minuten wieder da.«
Iris versuchte aufzustehen, wollte sehen, wie sie sich fühlte. Sie rollte Jaynies Schreibtischstuhl zurück. Er traf die Wand mit den Vorhängen hinter ihr. Da war ein weiches Papierrascheln. Iris hielt sich an der Schreibtischkante fest. Ihr war schwindelig. Sie ging hinter den Stuhl und zog die Vorhänge zurück. Ein großer Papierumschlag lehnte an der Wand. Sie beugte sich vor. Das Blut pochte im Kopf. Sie stand still, bis ihr Kopf klar war, dann hielt sie sich am Stuhl fest, ging in die Hocke und ergriff den Umschlag an der Kante. Er war von Alley für sie. Sie berührte die schwere runde Schrift. Sie dachte an Alleys Pfefferminzbonbon, das Stan genommen hatte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen der Empörung.
Iris riß die zugeklebte Klappe auf. Saubere Bündel von Hundert-Dollar-Scheinen stapelweise. Iris nahm eins heraus und blätterte es mit dem Daumen durch.
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