Konny Reimann
den man an Produkte pappt. Manchmal ist es aber schon zum Schreien, wenn man sieht, dass Menschen sich nur deswegen einen neuen spritschluckenden Wagen besorgen, weil der Nachbar auch einen fährt. Der Natur würde es auf jeden Fall ganz guttun, wenn die Menschheit auch mal mit weniger zufrieden wäre. Aber das ist eine andere Geschichte.
Jan war verschwunden
ieser Satz sollte mehr als einmal ein ganz typischer werden, wenn es um meinen alten Freund ging. Jan war einer meiner besten Kumpels aus frühen Tagen. Er war es auch, der später unser erster Kontakt in den USA war, vielleicht der entscheidende Mann unserer rasanten Entwicklung. Nicht, dass er die Auswanderung oder die Green Card für uns organisiert hätte oder Ähnliches. Aber sein Anruf war der Anfang von etwas, was wir uns in unseren wildesten Träumen nicht hätten vorstellen können – zumindest zu dem Zeitpunkt, als er uns zu sich nach Amerika einlud. Jan war ein Verbündeter aus den alten Tagen in Hamburg und den Urlauben in Dänemark und Südfrankreich, aber wie das mit Abenteurern halt so ist, oft genug ziehen sie eben los, um eigene Abenteuer zu erleben, egal, wie tief die Bindung vorher ist. Mir machte das im Grunde nichts aus, im Gegenteil, ich fand es gut, dass jemand sein Schicksal in die eigenen Hände nahm, man ist ja niemandem was schuldig.
Also freute es mich umso mehr, als Jan mich eines Tages wieder anrief. Ich war nicht schlecht erstaunt, als er mir sagte, wo er gerade den Hörer in der Hand hielt. Aber das ist eine andere Geschichte, und bevor ich sie erzähle, muss ich etwas weiter ausholen, denn Jan war vorher schon an einer wichtigen Weichenstellung für mein Leben beteiligt gewesen.
Ich weiß nicht mehr genau seit exakt welchem Jahr, aber Jan war schon sehr früh mein Freund. Wir brauchten nicht lange, um uns darauf zu einigen, dass das Leben dazu da ist, um dessen Grenzen zu erforschen. Auch er war sich für keinen Quatsch zu schade, und so haben wir neben vielen anderen Dingen zum Beispiel mal einen Auffahrunfall inszeniert. Wir beide waren gute Autofahrer, und es war für uns keine große Anstrengung, zu simulieren, dass Jan mir auf offener Straße hinten ins Auto fährt. Die damals anwesenden Passanten staunten nicht schlecht, als wir so taten, als ob nichts gewesen sei. „Das geht doch nicht!“, riefen die Leute, aber wir lachten nur und fuhren weiter.
An Wochenenden haben wir dann oft Pferde beschlagen, eigentlich eine Arbeit, die weit besser nach Amerika, speziell Texas, passt, aber darüber dachten wir damals natürlich nicht nach. Jan war gelernter Hufschmied, arbeitete aber meist als Schlosser. Als wir uns kennenlernten, war ich mit seiner Schwester zusammen. Ihr Bruder und ich waren jedoch eigentlich die beiden, die als gute Freunde wie maßgeschneidert zusammenpassten. Die meisten Leute haben uns (und andere) später immer gefragt, ob wir Brüder seien. Ich habe erst im Laufe der Zeit erfahren, dass Jan eigentlich Hufschmied gelernt hatte. Immer wieder beschlug er zwischendurch Pferde, unter anderem mit mir, hörte aber schnell wieder damit auf und lamentierte, dass das kein cooler und seriöser Beruf sei. Ich habe ihn dann darin bestärkt, weiterzumachen. So was wie „coole“ Jobs gibt es doch eh nicht. Es gibt Jobs, die Spaß machen und die man machen will. Und wenn man sein Handwerk dann auch noch gut kann, braucht man sich dafür auch nicht zu schämen. Als ich von seiner Ausbildung erfuhr, sagte ich zu ihm: „Komm, lass ma’ machen!“ Ich fand das spannend und lustig, und mit der Zeit merkte er, dass der Beruf ganz und gar nicht öde und spießig ist. Also hörte Jan irgendwann auf, der falsche Schlosser zu sein, und wurde zu einem richtigen Hufschmied. Und bei den Touren, die wir zusammen unternahmen, um Pferde zu beschlagen, passierten lustige Dinge. Ich weiß noch, dass wir eines Nachmittags auf einem Reiterhof waren, bei dem zeitgleich eine Voltigiergruppe ihre Runden drehte. Ich schaute ihnen ein bisschen zu und meinte zu dem Reitstallbesitzer, dass ich von dem Pferd doch auch mal einen Salto machen könne. Noch bevor er etwas antworten konnte, sprang ich auf das Hinterteil des Pferdes und stellte mich aufrecht hin. Da das Pferd jedoch loslief, sprang ich einfach mit einem Ruck im Salto rückwärts nach hinten ab. Ich hab heute noch in den Ohren, wie der Reitlehrer damals sagte: „Das gibt’s doch nicht, das kann doch wohl nicht wahr sein.“ Um ehrlich zu sein, kein
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