Konny Reimann
wir ihn darauf ansprachen und er sich eingestehen musste, dass er sich den Wohnwagen nicht leisten konnte. Der Kauf wurde also rückgängig gemacht und das gute Stück erneut auf der Straße angeboten. Wieder zurück auf die andere Straßenseite, Zettel ins Fenster, alles von vorne. Glücklicherweise dauerte es kaum eine Woche, bis jemand darauf aufmerksam wurde und dieses Mal auch gleich alles auf einmal zahlen konnte.
Nachdem Teppiche und aller Ballast vergangener Tage das Haus auf unseren Schultern verlassen hatten, kamen die „Zwischenmieter“ zum Vorschein: Flöhe, die nicht willens waren, freiwillig das Feld zu räumen. Zu ihrem Inventar gehörten zudem die Ausscheidungen der Katzenvormieter, die das Haus endgültig in einen unwirtlichen Ort verwandelten. Zu deutsch: Die Flohhütte roch nach Katzenpipi und bettelte darum, von Kammerjägern und hygienischen Hilfsmitteln traktiert zu werden. Wir verloren keine Zeit.
Am Ende haben Manu und die Kinder fast vier Wochen renoviert. Dann war ich mit ihnen noch mal fünf Wochen mit der Verbesserung des Hauses beschäftigt. Doch trotz aller Widrigkeiten und Umstände, die einen reibungslosen und schnellen Umzug unmöglich machten, dachte keiner von uns auch nur eine Minute daran, den Deal rückgängig zu machen. Wir waren ja nicht hier, um uns von der erstbesten Schwierigkeit in die Flucht schlagen zu lassen.
ährend das Haus in der ersten Zeit von Manu und den Kindern renoviert wurde, flog ich Ende Juli noch mal für dreieinhalb Wochen nach Hamburg zurück, um die letzten Dinge und vor allem den Container-Transport zu organisieren. Dass ausgerechnet Erwin als der Kleinste das größte Problem und den meisten Aufwand verursachen würde, hätte ich vorher nie gedacht. Aber der kleine graue Freund, der uns mit einem erstaunlichen Wortschatz schon so oft sein Herz ausgeschüttet hatte, bedurfte eines logistischen Aufwands, der einem Rockkonzert in Übersee gleichkam.
Erwin ist unser Papagei. Ein kleiner Kerl mit vorrangig grauen Federn, der sein Herz stets auf der Zunge, oder sagen wir mal, im krummen Schnabel trägt. Wir haben ihn seit Ende Oktober 1999. Er stammt von einem Züchter im niedersächsischen Langenberg-Beuteler. Irgendwie hatte ich schon immer einen Hang zu diversen Arten von Vögeln. Zwergpapageien, Hühner, Hähne – immer flog irgendwas um mich herum und gackerte, gluckste oder sprach. In Schenefeld war das so, und in Amerika sollte das nicht anders werden. Dabei war speziell Erwin nicht wirklich ein Schnäppchen. Um die Jahrtausendwende, als wir ihn kauften, kostete so ein Tier um die 1.000,– DM. Manu hatte seinerzeit einen Züchter in Göttingen ausfindig gemacht, der drei kleine, noch sehr junge Papageien hatte. Einer von ihnen hatte einen abgebrochenen Schnabel, und ich zögerte keine Sekunde: „Den will ich haben!“ Manu hat mir Erwin dann zu Weihnachten geschenkt und wegen des Schnabels noch etwas billiger bekommen. Dass unser neuer Gefährte kein Kuscheltier war, machte er schnell deutlich. Ab und an versuchte er zuzubeißen, uns klarzumachen, dass er durchaus etwas zu bieten hatte und nicht alles Mögliche über sich ergehen lassen würde, schließlich ist er ein starker Papagei, der auch seinen Stolz hat. Natürlich waren wir gar nicht darauf aus, ihn als lustigen Pausenclown zu betrachten, aber Erwin war trotzdem wehrhaft. Ich habe schnell herausgefunden, dass man nicht zurückzucken darf, wenn er einen beißt. Erwin merkte dann seinerseits sehr bald, dass er mir, obwohl es nicht unwesentlich weh tat, mit seinen Kniffen nicht beikommen konnte und dass das Beißen mir nichts ausmachte. Ich ließ es also über mich ergehen, und nach kurzer Zeit stellte Erwin die kleinen Attacken bei mir ein.
Zum Zeitpunkt seiner Übersiedelung war Erwin fünf Jahre alt. Es war, als würde man den Umzug einer staatlichen Institution von einem Land zum nächsten organisieren. Wir riefen Behörden an – eine, zwei, drei, viele. Jedes Mal die gleiche Antwort: Eine andere Verwaltung sei zuständig. Wenn diese dann nicht an eine neue Behörde verwies, schob sie den Schwarzen Peter zumindest wieder der vorherigen zu. Was in den nötigen Formularen stehen musste, konnte uns keiner sagen; immer gab es nur Bruchstücke, die wir wie ein Puzzle zu einem eigenen Formular zusammenfügten. Das meiste hat sich Manu aus dem Internet zusammengesucht. Am Ende dieser selbstgebastelten „Anleitung einer Papagei-Übersiedelung“ saßen wir also mit
Weitere Kostenlose Bücher