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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Teufel noch vor dem Tod. Das ist irgendwie auch schön. Ich werde die Tage hinnehmen, die mir noch bleiben.
    Ich bin wieder gesundgeschrieben. Deshalb komme ich so spät. Der junge Kollege Bjørnsson ist übrigens wirklich sympathisch. Es war seltsam, sie wiederzusehen. Zuerst waren sie ein bißchen verlegen, wußten nicht so recht, was sie sagen sollten. Aber dann sind sie wieder aufgetaut. Ich glaube, ich habe mir die Achtung aller verschafft. Nach dem, was passiert ist, sehen sie mich mit anderen Augen. Sogar Bauer Svarstad hat hereingeschaut, vermutlich aus Neugier. Aber es war trotzdem nett. Er ist sehr zufrieden mit dem Quadrant. Er ist der einzige Landwirt in Elvestad, der einen hat.
    Und vor kurzem habe ich mir im Laden ein Hähnchen gekauft. Ich war ja noch nie ein guter Koch, aber ich war in einem pakistanischen Laden und habe um die passenden Gewürze gebeten. Es wurde nicht rot, wie Poonas Hähnchen, aber es war doch eine schwache Erinnerung an Tandels Tandoori. Weißt du, daß sie ihr Essen färben? Wir würden so was doch nie riskieren.
    Daß du von so wenig Flüssigkeit leben kannst, die langsam in deine Adern tropft. Sie sieht aus wie Magermilch, aber der Arzt sagt, daß sie Zucker und Fette und Proteine enthält. Morgen wird Karsten hereinschauen. Ich weiß, daß ihm davor graut. Aber ich weiß ja nicht, was er macht, wenn er allein hier sitzt. Vielleicht redet er wie ein Wasserfall. Aber eigentlich glaube ich das nicht. Ich habe den starken Verdacht, daß sie mich anrufen werden, wenn du plötzlich aufwachst, auch wenn er dein Mann ist. Ich schlafe nachts ziemlich gut. Ich bin traurig, ich habe das Gefühl, ein paar Kilo zugenommen zu haben, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Aber ich reiße mich zusammen und versuche, daran zu denken, daß nach dem Winter ein neuer Frühling kommt. Und dann werde ich an Poonas Grab Wunder vollbringen. Es ist ja kein großes Beet, aber daß ich den Platz ausnutzen werde, das wissen die Götter. Ihre wenigen Habseligkeiten werde ich sorgfältig aufbewahren. Die Kleider im Koffer, die kleine Bananentasche, die Schmuckstücke. Die Brosche habe ich ihr mit in den Sarg gegeben, zusammen mit dem Sari, in dem sie geheiratet hat. Er ist wie Gletscherwasser, tiefes Türkis. Ich erinnere mich an ihr Gesicht. Ich weiß, daß es jetzt zerstört ist, er hat es mit einem Stein zerschlagen. Oder mit etwas anderem, das wissen sie offenbar nicht. Aber mir macht das nichts aus, ich habe sie ja nie so gesehen, und dann kann ich es auch nicht glauben. Das ist sicher gut so, Marie. Daß wir Menschen glauben können, was wir wollen?«
     

SEJER LAS SKARRES BERICHT 
    über die neuen ZeugenverNEHMUNGEN. Anders Kolding war in der Wohnung seiner Schwester in Göteborg gefunden worden, leicht angetrunken, aber trotzdem imstande zu einer Aussage, war er ans Telefon gekommen. Er hatte gesagt, er brauche eine Pause. Sei durchaus nicht weggelaufen. Nein, ich bin nicht nach links gefahren, aber es stimmt, daß ich das Taxischild ausgeschaltet habe. Ich wollte nicht riskieren, eine Tour in die falsche Richtung zu kriegen. Ich bin direkt in die Stadt gefahren, zum Henker. Ulla Mørk gab zu, daß sie schon mehrere Male ihre Beziehung zu Gøran Seter beendet habe. Sie war danach immer wieder zu ihm zurückgekehrt, bestand aber darauf, daß sie es diesmal ernst gemeint habe. Es stimmte, daß er ab und zu Gewichte im Auto hatte. Wenn im Adonis Hochbetrieb herrschte, wollte er nicht vor den verschiedenen Geräten warten müssen. Lillian Sunde stritt noch immer jegliche Beziehung zum mutmaßlichen Täter ab, sie kannte die Gerüchte, meinte aber, daß Elvestad immer davon wimmele. Vermutlich hatte jemand sie in dem Tanzlokal in der Stadt gesehen. Linda Carling wiederholte ihre frühere Aussage. Ein blonder Mann im weißen Hemd war hinter einer dunkel gekleideten Frau hergelaufen. »Am Straßenrand stand ein rotes Auto. Es kann ein Golf gewesen sein.« Karen Krantz, Lindas Freundin, meinte bestimmt, daß sie sich auf Lindas Zeuginnenaussage verlassen könnten. Sie hat schreckliche Angst davor, etwas falschzumachen, hatte sie gesagt. Sie erzählt wirklich nur, was sie gesehen hat. Ole Gunwald war ganz sicher, zweimal einen startenden Motor gehört zu haben. Im Abstand von fünfzehn Minuten. Warum zweimal, fragte Sejer sich.
    Tag für Tag, Stunde um Stunde saß Gøran bei Sejer im Verhör. Er kannte alle kleinen Kratzer und Kerben in dem hellen Tisch. Alle Flecken an der Decke, alle Linien an den Wänden.

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